Alexander Radwan will nicht auf "Suggestivfragen" reagieren:Schweigen über Krieg und Frieden

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Die Ukraine wehrt sich mithilfe deutscher Gepard-Flakpanzer gegen russische Angriffe. Die Waffenlieferungen werden allerdings auch kritisiert, darunter von der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Sergei Supinsky/AFP)

Die Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen schickt Fragen an Bundestagsabgeordnete zur Militärhilfe für die Ukraine und wird kaum beachtet.

Von Veronika Ellecosta, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen hat auf einen Fragenkatalog zum Krieg in der Ukraine keine Antworten aus der großen Politik bekommen. Auch die hiesigen Bundestagsabgeordneten lehnten es ab, darauf zu reagieren.

Vor 22 Monaten haben russische Truppen die Ukraine überfallen, seitdem wird dort geschossen und gestorben. Die westliche Staatengemeinschaft unterstützt zwar die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung, aber die Zustimmung zu Waffenlieferungen in das Land ist nicht in allen Nato-Ländern gleich. Auch im Landkreis werden immer wieder Stimmen laut, die diese militärische Hilfe infrage stellen, darunter die Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen. Die Bewegung wurde sie 1991 als Reaktion auf den Golfkrieg ins Leben gerufen. Seitdem plädiert der Verein stets für Verhandlungen, Diplomatie und Abrüstung, fordert die Abschaffung der Bundeswehr und lehnt die Nato ab.

Singen, reden, schweigen für den Frieden, unter diesem Motto hatte sich kurz nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine in Geretsried eine Initiative gebildet. (Foto: Hartmut Pöstges)

Auch im aktuellen Krieg in der Ukraine hat die Friedensbewegung schon öffentlich gegen Waffenlieferungen protestiert. Mit dieser Position hat sie im Herbst Mitglieder der Bundesregierung und des Bundestags konfrontiert und einen Fragenkatalog an die politischen Amtsträgerinnen und -träger geschickt. Gefragt wird, ob die politischen Vertreter die "völlige Niederlage Russlands" sowie die Rückeroberung der Krim für notwendig halten. Auch geht es um die Legitimierung der Militärhilfen, warum Deutschland etwa die Lieferung von Streumunition durch die USA nicht verhindert habe. Zudem bittet die Initiative um Daten und Zahlen über Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine und möchte wissen, warum die Mandatsträger die bisherigen Verhandlungsvorstöße etwa durch Saudi-Arabien, Istanbul und Indien ablehnten. Zuletzt fragt sie, inwiefern Deutschland konkret durch Russland oder China bedroht sei.

Radwan und Bär antworten nicht

Das Fragepaket landete in den Briefkästen unter anderem von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sowie von den beiden Stimmkreisabgeordneten für den Landkreis Karl Bär (Grüne) und Alexander Radwan (CSU). Die meisten antworteten nicht; lediglich der SPD-Abgeordnete für den Münchner Süden, Sebastian Roloff, der Bürgerkontakt der CSU/CDU im Bundestag und das Team Bürgerdialog des Verteidigungsministeriums schickten kurze Statements zurück.

Von der geringen Aufmerksamkeit ist die Friedensinitiative enttäuscht. "Wir halten es für unvereinbar mit dem Grundverständnis einer demokratischen Ordnung, dass die gewählten Vertreter berechtigte Fragen der von ihnen vertretenen Bürger nicht beantworten, folglich nicht ernst nehmen", sagt Evelyn Kiess aus dem Vorstand. Besonders bitter empfindet der Verein das Schweigen der Stimmkreisabgeordneten Radwan und Bär. "Wir können dieses Verhalten nur als absolute Abgehobenheit von den Sorgen der Wähler interpretieren, wir halten es für höchst befremdlich und die Politikerverdrossenheit fördernd", heißt es in einer Stellungnahme .

Der Vorstand der Friedensinitiative Bad Tölz-Wolfratshausen wünscht sich mehr öffentliche Diskussion: Helmut Groß, Annelies Erhardt, Evelyn Kiess und Stephan Solnar (von links). (Foto: Privat/oh)

Auf Nachfrage der SZ bei Alexander Radwan lässt dieser durchblicken, dass es vor allem am Tonfall des Schreibens lag. "Die Initiative stellt einen Katalog aus Suggestivfragen zusammen. Diese Art der Fragestellung ist politisch nicht seriös", sagt er. Als Beispiel nennt er Frage zwei: "Wie rechtfertigen Sie vor sich selbst, dass für dieses Ziel (die 'von vielen deutschen Politikern geforderte völlige Niederlage Russlands, inklusive Rückeroberung der Krim', Anm. d. R.) viele Tausende unschuldige Zivilisten und Soldaten auf beiden Seiten gestorben sind und täglich weiterhin sterben werden?" Radwan sagt: "Es kommt bei allen Fragen raus, was die Bewegung will, wo sie steht und was sie dem Gegenüber unterstellt." Normalerweise beantworte er Anfragen von Unternehmen, Vereinen und Bewegungen aus seinem Landkreis. Wenn dies nicht geschehe, müsse schon viel passieren. "Hier ist es einfach der Ton."

"Diese Art der Fragestellung ist politisch nicht seriös", sagt Bundestagsabgeordneter Alexander Radwan. (Foto: Manfred Neubauer)

Der CSU-Abgeordnete findet, dass die Argumentation der Komplexität der Realität nicht gerecht werde. "Was sind die politischen Optionen, mit welchem politischen Resultat? Bei der ganzen Fragestellung muss man sich verdeutlichen, dass es hier kein Schwarz-Weiß gibt und immer zwischen verschiedenen Optionen abgewogen werden muss." Er setze alles daran, dass die Waffen schwiegen, "aber wenn das nicht möglich ist, muss ich eine liberale demokratische Grundordnung verteidigen".

Diesem Standpunkt stimmt auch Karl Bär in einer kurzen Stellungnahme zu. "Was ich mit aller Kraft ablehnen werde, ist Druck aus Deutschland auf die Ukraine aufzugeben. Der Friedensbrecher ist eindeutig das russische Regime, Wladimir Putin könnte den Krieg sofort beenden." Die Ziele könne nur die gewählte Regierung der Ukraine bestimmen, das Opfer des Überfalls, betont Bär. Würde Russland den Krieg gewinnen, würde das bedeuten, "dass ein großer Staat mit brutalem Einsatz militärischer Gewalt einem kleineren Nachbarland seinen Willen aufdrücken kann. Eine sinnvolle Friedensordnung wäre dauerhaft unmöglich, wenn wir das zulassen".

"Wladimir Putin könnte den Krieg sofort beenden", sagt Bundestagsabgeordneter Karl Bär. (Foto: Manfred Neubauer)

Für Evelyn Kiess sind die Antworten von Karl Bär "Floskeln", sie wünscht sich mehr diplomatische Initiativen von deutscher Seite und zeigt sich fest von Verhandlungen überzeugt, denen Russland ihrer Meinung nach zustimmen würde.

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