Ein Flößerfest ohne Flöße auf dem Wasser - das klingt ein bisschen wie ein Geburtstag ohne Geburtstagskind. Aber auch ohne aktive Flößerei wahrt Lenggries, das sich offiziell "internationales Flößerdorf" nennen darf, seine jahrhundertealte Tradition. Genau dafür gebe es das Flößerfest, erklärt Matthias Mederle, ehemaliger Vorsitzender des Holzhacker- und Flößervereins Lenggries. "Wir wollen damit das alte Handwerk, aber auch Tradition und Brauchtum erhalten und aufleben lassen."
Neben riesigen Flößen und der uralten Tradition des Berufs gibt es am Samstag auf dem Fest mit buntem Markttreiben auch etliche mit der Flößerei verbundene Handwerke zu bestaunen. Von Schmieden, die über den lodernden Flammen Schleifhaken zum Transport des Holzes oder Floßschnallen zur Fixierung der Stämme herstellen, bis zu einer Strickerin, die traditionelle Flößerstrümpfe fertigt. Auch Säckler, Korbflechter und Schnitzer zeigen ihr Können.
Die erste überlieferte Floßfahrt von Lenggries aus datiere zurück ins zwölfte Jahrhundert, sagt Mederle. Die hölzernen Giganten seien damals das Transportmittel schlechthin gewesen - sowohl für Materialien wie Kalk oder Eichen- und Buchenholz aus dem Lenggrieser Umland als auch für Personen. "Man kann sich das vorstellen wie einen Bus - dreimal die Woche nach München und einmal nach Wien", erklärt der Sprecher des Holzhacker- und Flößervereins.
Die eigentlich wertvollste Fracht sei jedoch immer das Floß selbst gewesen. Die tonnenschweren Schwimmer wurden nach Verkauf der geladenen Ware in München auseinandergebaut und anschließend zu Brettern, Balken oder Bauholz verarbeitet. So bestehe zum Beispiel der Dachstuhl der Münchner Frauenkirche aus Holz von 144 Lenggrieser Flößen. Die Flößer hätten sich anschließend nur mit ihrer Axt zu Fuß wieder auf den Heimweg gemacht, erzählt Mederle, ein "echter Knochenjob". Auch den Alten Peter in München würde es ohne die Lenggrieser Flößerei in seiner heutigen Form nicht geben.
Heutzutage fahren keine Flöße mehr durch Lenggries. "Dafür hat die Isar hier mittlerweile einfach zu wenig Wasser", so Mederle, "und wir würden wegen des Wasserkraftwerks gar nicht mehr bis nach München kommen." Seit 1924 werde nämlich knapp 90 Prozent des Wassers der Isar zum Walchenseekraftwerk abgeleitet. Der mittlere Wasserdurchfluss pro Sekunde habe in Lenggries früher bei 176 Kubikmetern gelegen, heute umfasse er nur noch 20 bis 24 Kubikmeter. Seit 1924 habe die Flößerei dann immer weiter abgebaut, bis schließlich 1952 die letzten Flöße ihre Reise von Lenggries nach München aufnahmen.
An den Ableitungen in Richtung Walchenseekraftwerk stört sich auch der Verein "Rettet die Isar jetzt". Durch diese Ableitungen fehle im Flussbett der Isar das Wasser, erklärt der Vorsitzende Karl Probst. Im Rißbach, einem der vielen Zuflüsse der Isar, aus denen Wasser abgeleitet wird, sei nicht einmal mehr das sogenannte Restwasser vorhanden - der Bach liege völlig trocken. Das müsse sich dringend ändern. "Ein bisschen mehr Wasser reicht ja schon", sagt Probst.
Durch geringere Ableitungen und damit mehr Wasser würden sich der ökologische Zustand und die Natur an den Ufern massiv verbessern. Die biologische Vielfalt würde profitieren. Das Vorbild sei die obere Isar: Dort habe man 1990 den Bayernwerken mehr Wasser abgerungen, sodass die letzte Wildflusslandschaft Deutschlands entstand, erklärt Probst. Ähnlich stelle es sich der Verein sowohl für den Rißbach als auch für andere Zuflüsse und natürlich die Isar selbst vor. "Das Walchenseekraftwerk muss ja nicht zumachen, aber man muss sich einfach ein bisschen an die heutige Zeit anpassen", fordert der Sprecher der Isar-Retter.