Fliegerfest in Königsdorf:Abheben bei Kaiserwetter

Lesezeit: 2 min

Bei der Veranstaltung kommen die Gäste auf ihre Kosten - als Zuschauer und als Passagiere bei Rundflügen. Die Feier hat sich seit den 1960er Jahren zu einer Institution für das Oberland entwickelt.

Barbara Szymanski

Dass Erwachsene wie gebannt an den Lippen eines 14-Jährigen hängen, ist eher ungewöhnlich. Der Segelflugschüler Paul aber hat es beim Fliegerfest in Königsdorf geschafft, die Besucher in seinen Bann zu ziehen, denn wenn es darum geht, die Funktionen und Typen der 75 Vereinsflugzeuge bis ins kleinste Detail zu erklären, dann bleibt bei ihm keine Frage unbeantwortet. Was er zu berichten wusste, ist erstaunlich.

Seliges Taumeln durch die Lüfte: Sascha Odermann, der mit seiner 330 PS starken Maschine in Königsdorf tolle Kapriolen vollführte, fliegt beruflich einen Airbus A 380. Mit dem ist vermutlich etwas mehr Zurückhaltung geboten. (Foto: Manfred Neubauer)

Beispielsweise, dass Segler bei optimalen Bedingungen bis zu 300 Stundenkilometer erreichen und 5000 Meter hoch fliegen können. Da hätte das Kaiserwetter am Wochenende doch gerade recht sein müssen. War es aber nicht, wie Alico Sternbeck, Vorsitzender der Haltergemeinschaft und Gastgeber des wieder außerordentlich gut besuchten Flugfests, erklärt: "Ich habe das Wetter zwar zur Chefsache erklärt, doch ein wenig Quellbewölkung am Samstag wäre gelegen gekommen." Dann nämlich hätte eine bessere Thermik geherrscht. Bei der sogenannten Blauthermik jedoch müsse der Flieger "den Aufwind suchen".

So wie viele Familien den Schatten. Manche von ihnen sind schon richtige Flugfestprofis, sie kommen mit Decken, Campingstühlen und Sonnenschirmen. Darunter auch ein älterer Herr aus Seeshaupt, der wie gebannt gen Himmel schaut, als die "Tante Ju", die legendäre dreimotorige Maschine, mit vernehmlichem Getöse abhebt. Geräuschlos sind aber auch die anderen Motorflugzeuge nicht, im Gegenteil. Der Segelflieger und Fluglehrer Rolf Bertram aus München spricht gar von einer "Krawalltüte", wenn er dem Kunstflieger Michael Zacher aus Marktoberndorf mit seiner selbstgebauten "Giles" zuschaut. Dieser, nach kühnen Kapriolen soeben gelandet, findet die Bezeichnung lustig. Mit Rauchöl hatte er ein riesiges weißes Herz in das Azurblau gemalt und dafür viel Bewunderung geerntet.

Schauen ist eine Sache, die andere ist es, selbst einmal mitzufliegen. Die beiden Flugschüler aus München am Buchungsstand haben eine Menge zu tun, um Karten für Motor- oder Segelflug auszugeben. 20 Euro pro Kopf kostet eine Platzrunde bei den Seglern, 35 Euro bei Motormaschinen. Bei der Landung winken die Passagiere so huldvoll aus den Kabinen, als wären sie Mitglieder einer Königsfamilie. Besonderen Applaus erhalten die Oldtimer unter den Fluggeräten wie der Typ Flamingo, nur 160 PS-stark, aber mit einem Siebenzylinder-Sternmotor ausgerüstet.

Meistens sind es Männer, die sich nach solchen technischen Details erkundigen. Auch Pilotinnen finde man bislang eher selten, wie Mathias Schunk, Pressesprecher der Haltergemeinschaft, erklärt. Er selbst ist Lufthansapilot, aber ebenso begeisterter Segelflieger von Jugend an. Er habe das von seinem Vater geerbt, sagt der gebürtige Geretsrieder und Enkel des Geretsrieder Gründungsbürgermeisters Karl Lederer. Der Reiz liegt für ihn im Erlebnis der Gemeinschaft. "Segelflieger sind keine Einzelkämpfer, sondern Teamwerker." Nichts bei diesem Sport sei allein zu bewältigen: Wartung, Reparaturen und auch die Starts mit Seilwinde oder Motorschlepper, alles geschehe in Zusammenarbeit.

Die Königsdorfer Segelflieger haben es nicht nur beim Sommerfest "zu einer echten Institution seit den 1960er Jahren für das ganze Oberland gebracht", freut Alico Sternbeck, auch sportlich sei man höchst erfolgreich. Piloten des Vereins seien bereits dreimal deutscher Meister geworden. "Und wir sind im Landkreis der einzige Bundesligaverein", ergänzt Schunk. Im Augenblick aber geht es mehr ums Feiern. Soeben sind zwei Kleintransporter eingetroffen, sie liefern das Material für das Feuerwerk am Samstagabend. Es sei das Schönste in ganz Bayern, da sind sich Sternbeck und Schunk völlig einig.

© SZ vom 10.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: