Expertentreff für Politik und Wirtschaft:Hauptsache, es geht los

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Wolfratshauser lassen sich über ökologisch sinnvolle Verkehrslösungen informieren. Fachleute raten vor allem zum Anfangen

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Verstopfte Straßen, tägliche Frustration über die im Stau verlorene Zeit, dazu Umweltbelastung und eine zunehmende Beeinträchtigung des Wirtschaftslebens durch Störungen im Lieferverkehr: Die Mobilität, einst Ausdruck einer modernen Gesellschaft, ist längst an ihre Grenzen gestoßen. Über Alternativen und Problemlösungen wird auch in Wolfratshausen nachgedacht. Eine Delegation aus 13 Stadträten und Rathausmitarbeitern hat sich deshalb im vergangenen Herbst auf den Weg nach München-Freimann gemacht, dem Anlass entsprechend im umweltfreundlichen Elektro-Kleinbus, um sich am Vorzeigeprojekt Domagk-Werk zu informieren, wie die verkehrsarme und lebenswerte Stadt der Zukunft aussehen könnte. Um die Exkursion nachzubereiten, hat die Unternehmervereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW), unterstützt von den örtlichen Gewerbeverbänden und den Firmen Eagle Burgmann und Weber Schraubautomaten, jetzt zusätzlich ein Treffen mit Experten organisiert. Diese versuchten, das laut Bürgermeister Klaus Heilinglechner "hoch spannende Thema Mobilität" den vielen Zuhörern in der Flößereigaststätte zu vermitteln.

Es war eine nahezu zweistündige, schwer verdauliche Flut von Detailinformationen über das fortschrittliche Domagk-Quartier, aber auch über allgemeine Planungsfragen, mit denen die eingeladenen Referenten aufwarteten. Bei der abschließenden Diskussionsrunde gab es dann nur noch wenige Wortmeldungen - sei es, weil am Ende alle Fragen beantwortet waren, sei es, weil die Gäste angesichts der Fülle der verschiedenen Aussagen innerlich abgeschaltet hatten. Zuhörer wollten wissen, welche Rolle die Brennstoffzelle als Antriebselement noch spielt, und wo die "kritische Masse" anzusetzen sei, von der an eine Eigenstromversorgung auf dem Dach rentabel ist.

Das Ziel des Abends formulierte der als Moderator fungierende Wolfratshauser Stadtmanager Stefan Werner so: Es gehe darum, "aus unterschiedlichen Perspektiven ein ganzheitliches Konzept zu entwickeln". Daraus resultieren Werner zufolge eine Menge konkreter Fragestellungen: Wie sich Fahrten vom Wohnort zum Bahnhof oder zum Arbeitsplatz reduzieren lassen, in welchem Umfang Fahrradrouten verdichtet werden können, wo und in welchem Umfang E-Lastenfahrräder einsetzbar sind, wie eine engere Kooperation mit Geretsried aussehen könnte und auf welche Subventionen bei vorangegangenen Planungen und Baumaßnahmen zurückgegriffen werden kann.

Als Wegweiser durch den Dschungel an Fördermöglichkeiten trat Martin Schlinger auf, Berater für Fuhrpark-Elektromobilität bei der E-Potenzial GmbH. Auf der Suche nach finanzieller Hilfe könne man schnell mal die Orientierung verlieren, zumal es auf Landes- und Bundesebene verschiedene Quellen gebe, die angezapft werden können, erläuterte Schlinger. Er verwies auf Sofortprogramme des Bundes im Bereich "Saubere Luft", so etwa bei der Ersatz- oder der Neubeschaffung von Fahrzeugen, speziell bei Bussen und Lastwagen. Die "Entdieselung" kommunaler Fahrzeugparks kann nach Schlingers Worten mit bis zu 80 Prozent subventioniert werden, die Förderung sei allerdings auf Beträge von maximal zwei Millionen Euro gedeckelt. Die Antragstellung gestalte sich obendrein "kompliziert und langatmig", die jeweilige Fördermöglichkeit gelte meist nur zeitlich begrenzt.

Über "wohnquartiersbezogene Mobilitätskonzepte" referierte Christian Bitter von der Stattbau München GmbH, der aufgrund der Erfahrungen beim Domagk-Park zu der Einsicht gelangt war, dass man ohne ein wirkungsvolles Konzept für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) nicht weiterkomme - eine gute Bus-Anbindung sei "das Mindeste". Bitter plädierte auch eindringlich für "Share-Elemente", also Fortbewegungsmittel, die nicht ein Einzelner benutzt, sondern mehrere Personen. Weil dann weniger Fahrzeuge gebraucht werden, könne viel Platz gespart werden.

Zu den Themenkomplexen, die im Kreis der Experten angesprochen wurden, zählte last but not least eine umfassende "umweltfreundliche Quartierslogistik". Beispielsweise könne eine zentrale Anlieferungsstelle für Pakete geschaffen werden, hieß es. Von dort aus werden dem Konzept zufolge dann Sendungen vom Empfänger selbst abgeholt oder mit Hilfe von Lastenfahrrädern zugestellt. Auf diese Weise vermeide man die vielen Lieferwagen der Paketdienste. Der Möglichkeiten gebe es viele, hieß es am Ende, den Bürgermeistern aber müsse man zurufen: "Fangt endlich an."

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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