Expansion in Geretsried:Kneten, bis die Kasse klingelt

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Das Unternehmen Franco Fresco stellt handgeformte Tiefkühlpizza her und ist damit einer der wenigen deutschen Anbieter. Wie aus einem Start-up ein erfolgreiches Unternehmen wurde

Von Viktoria Spinrad, Geretsried

Christoph Schramm fährt mit dem Finger über den neuesten Coup seiner Pizza-Revolution und verzieht das Gesicht. Auf die allermeisten dürfte die frisch aufgebackene "Spinaci e Ricotta", die als Fotomotiv auf dem Tisch steht, sehr appetitlich wirken - doch Schramm mag es lieber, wenn der Käse direkt mit der Sauce verschmilzt, Edel-Zutaten wie Babyblattspinat und Mozzarella hin oder her.

Vielleicht ist es gerade dieser penibel-ästhetische Blick, mit dem der 40-jährige Geschäftsführer der wirtschaftspreisgekrönten Geretsrieder Firma Franco Fresco sein Tiefkühlpizza-Startup zu einer gefragten Marke geführt hat. Zu einer Firma mit 220 Mitarbeitern, demnächst 35 Millionen Euro Umsatz, Übernahmeangeboten, Kopien von der Konkurrenz - und Anfragen aus China und Südamerika.

Das Erfolgsrezept der Marke "Gustavo Gusto" passt in die von gesundem Essen und Umweltschutz geprägte Zeit. Tiefkühlpizzen ohne Konservierungs- und Zusatzstoffe, dafür mit frischen Zutaten aus der Region, die mit einem Klima-Siegel versehen sind und auch noch schmecken wie vom Italiener - das kommt an beim Kunden.

Mittlerweile gibt es mit Salami, Margherita, Prosciutto e Funghi, Tonno und Spinaci e Ricotta fünf Sorten der Geretsrieder Pizzen aus dem Steinofen. Und die werden mittlerweile bundesweit verkauft. Zu den Abnehmern gehören Rewe, Edeka, Netto, Penny, Real und demnächst auch Kaufland. In den Tiefkühlregalen dort fallen die Verpackungen schon aus zwei Gründen auf: Sie sind in Weiß gehalten und mit etwa 32 Zentimetern Durchmesser deutlich größer als die der Konkurrenz.

Von Hand geformt und mit frischen regionalen Zutaten belegt: So lautet das Versprechen von Franco Fresco für seine "Gustavo Gusto"-Pizzen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Deren Pizzen überzeugten Schramm in seinen Studienzeiten offenbar nicht besonders. Nachdem er als BWL-Student in Passau zusammen mit Kommilitonen drei Studenten-Pizzerien betrieben hatte und wieder zurück in die Berge wollte, fragte er sich: Warum gibt es eigentlich keine Tiefkühlpizza, die an frische Pizza vom Italiener erinnert? Man könnte auch sagen: Er sah eine Marktlücke, zwischen der industriell gefertigten Fertig-Tiefkühlpizza und dem frischen Produkt vom Italiener.

Die Idee war geboren. Schramm gründete ein kleines Start-up mit fünf Mitarbeitern, die gerade einmal 80 Pizzen in der Stunde backen konnten. Mithilfe von Finanzspritzen von drei Banken lieferte er an Tennisklubs, Sportvereine, Bistros - und überzeugte nach und nach auch die Großhändler von der Tiefkühlpizza mit dem handgedrehten Teig. 2016 schloss Franco Fresco einen Exklusivvertrag mit Rewe.

Es gab nur ein Problem: Seine Mitarbeiter konnten gar nicht so schnell Teig kneten, wie die Bayern die Pizzen von Franco Fresco vertilgten. In den Tiefkühlregalen waren die Produkte schnell ausverkauft. "Wir hatten damals 40 Prozent Unterlieferung. Normalerweise würde ein Lieferant da sofort rausfliegen", sagt Schramm. Eine neue, größere Fabrik musste her.

Al gusto: Chef Christoph Schramm probiert die eigene Pizza. (Foto: Manfred Neubauer)

Seit Sommer 2018 läuft die Produktion am neuen Standort an der Böhmerwaldstraße auf Hochtouren. Auf dem mit 5000 Quadratmetern fünfmal so großen Standort kommen nun jeden Tag bis zu 80 000 Pizzen vom Band; seit kurzem sind alle vier Produktionslinien ausgeschöpft.

"Eine Pizza einzufrieren macht sie nicht schlechter", betont Schramm. Die Qualität leide aber, wenn der Teig nicht lange genug ruhe. Deshalb hat er in seinem Betrieb 30 Stunden Zeit, bevor er von Hand ausgebreitet wird, mit Tomatensoße bedeckt und von Maschinen belegt wird. Dieser automatisierte Schritt sei sogar ein Vorteil, sagt Geschäftsführer Schramm: "Die Pizza wird so viel gleichmäßiger belegt." Darauf folgt eine automatische Qualitätskontrolle. Pizzen, die nicht gleichmäßig belegt, die geknickt oder verformt sind, landen in einem Lagerverkauf oder bei der Tafel. Der Großteil aber wandert in einen Etagenwagen, der in einen Schockfroster geschoben wird und die Pizzen auf Minus 20 Grad runterkühlt.

Von Geretsried aus in die Welt? Von einem Ort, an dem der Arbeitsmarkt gesättigt und der Wohnraum teuer ist? Um weiter zu wachsen, plant das Unternehmen zurzeit einen dritten Standort in Niederbayern, der Geretsrieder Standort soll parallel beibehalten werden, wie Schramm betont. Er legt die Hände versetzt übereinander, es geht um das Gleichgewicht zwischen Nachfrage und Produktionskapazitäten, ein Gleichgewicht, zu dem sich das Unternehmen noch einpendeln muss. "Die Kluft darf nicht zu groß werden", sagt er.

Schramm weiß, dass seine Pizzen in vielen Teilen Deutschlands noch bekannter werden müssen, wenn die Firma weiter wachsen soll. 450 Prozent waren es in den vergangenen beiden Jahren; auch eine Rückrufaktion im vergangenen Jahr hat dem Unternehmen offensichtlich nicht geschadet. Fruchtbarer Boden für die Influencer, welche die frohe Botschaft von der Super-Pizza nun weiter verbreiten sollen.

© SZ vom 02.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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