Eröffnungskonzert:Von virtuos bis lyrisch

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Hommage an Paganini: Ingolf Turban und sein Nachwuchsorchester bei den Holzhauser Musiktagen in der Seeshaupter Seeresidenz. (Foto: Franz-Xaver Fuchs)

Ingolf Turban und sein Orchester "I Virtuosi di Paganini" eröffnen die Holzhauser Musiktage

Von Reinhard Szyszka, Seeshaupt

Was ist denn da passiert? Die Zuhörer, die zum Eröffnungskonzert der Holzhauser Musiktage in die Seeresidenz Alte Post gekommen waren und sich einen Programmzettel genommen hatten, wunderten sich. In winzigster Schrift waren der Programmablauf und die biografischen Informationen über die Mitwirkenden abgedruckt, für viele ältere Konzertbesucher kaum zu entziffern. Die Veranstalter und die Künstler nahmen das kleine Missgeschick mit Humor, denn zum Glück gab es ja einen Moderator, der die notwendigen Erläuterungen verbal übermittelte.

Star-Geiger Ingolf Turban, nach mehrjähriger Abwesenheit zu den Holzhauser Musiktagen zurückgekehrt, bestritt das Konzert gemeinsam mit der Mezzosopranistin Susanne Kelling, die seit etlichen Jahren Stammgast bei dem Festival ist. Beide Künstler halten im Rahmen der Musiktage Meisterkurse ab und werden beim Abschlusskonzert ihre besten Schüler dem Publikum präsentieren. Jetzt aber standen Turban und Kelling selbst auf der Bühne. Der Geiger hatte seine "Virtuosi di Paganini" mitgebracht, ein Kammerorchester aus elf Streichern, die kultiviert, homogen und klangschön musizierten. Das Konzert zerfiel in zwei Teile, die wenig bis gar nichts miteinander zu tun hatten: Im ersten Teil, der sich über die Pause hinaus erstreckte, zeigte Turban sein virtuoses Können auf der Violine. Im letzten, umfangreichsten und auch künstlerisch gewichtigsten Stück des Abends hatte dann Kelling ihren Auftritt. Aber anders wäre es nicht möglich gewesen, beide Künstler im selben Konzert zu präsentieren. Werke für Solovioline und Mezzosopran gibt es einfach nicht.

Der Abend begann mit einer "Hommage à Paganini" des Belgiers Henri Vieuxtemps; Turban bezeichnete dieses Werk als "ironische Abrechnung mit Paganini", durchaus liebevoll, aber auch kritisch. Und in der Tat: Das Stück bietet horrende Schwierigkeiten für die Sologeige, Pizzicati, Flageoletttöne in höchster Lage - dabei fast ohne musikalische Substanz. Turban zeigte sich glänzend disponiert und bewältigte die enormen Anforderungen an die geigerische Virtuosität mit einem Lächeln, quasi mit der linken Hand, die für einen Geiger ja ohnehin die Griffhand ist.

In eine andere Richtung zielt Gioacchino Rossini mit seiner Elegie "Un mot à Paganini", die ebenfalls auf den berühmten Teufelsgeiger Bezug nimmt, aber mit zarten, weit gespannten Melodien aufwartet. Hier bewies Turban, dass er auch über lyrische Qualitäten verfügt und seinem Instrument wunderbar weiche Klänge und tragende Pianissimi entlocken kann. Das Orchester, bei Vieuxtemps bloße Folie für den Solisten, bekommt bei Rossini dankbare Aufgaben zugewiesen. Das letzte Stück vor der Pause stammte von Paganini selbst: "I palpiti" verband beide Aspekte, gab sich stellenweise brillant-virtuos wie Vieuxtemps, manchmal aber auch lyrisch-melodisch wie Rossini. Das ist kein Zufall, denn dem Variationenzyklus liegt eine Arie einer Rossini-Oper zugrunde.

Nach der Pause dann "La ronde des lutins" von Antonio Bazzini, und hier steigerten sich die technischen Anforderungen an den Violinsolisten ins Aberwitzige. Auch im Umfeld von Franz Liszt hatte es Komponisten gegeben, die den Meister an Virtuosität zu übertreffen suchten; Ähnliches unternahm Bazzini in Bezug auf Paganini. Was hier an Doppelgriffen, Läufen, Sprüngen und Klangkaskaden verlangt - und von Turban bewundernswert gemeistert - wurde, streifte die Grenzen des Menschenmöglichen, und die Brillanz lief Gefahr, zum Selbstzweck abzugleiten.

Daher war es geradezu Balsam, als Susanne Kelling auftrat und Musik ganz anderer Art zu Gehör brachte. "Il tramonto", eine Kantate für Mezzosopran und Streicher des Spätromantikers Ottorino Respighi nach einem tragischen Gedicht von Percy Bysshe Shelley. Man merkte, dass der Komponist ein Zeitgenosse von Richard Strauss war, dessen Stil gelegentlich durchschimmerte. Kelling sang mit flexibler, gut geführter Stimme, textdeutlich und mit feinen Ausdrucksnuancen, gelegentlich durch Gesten diskret unterstrichen. Am Ende konnten Turban, Kelling und der Jurist Harald Mosler, der den Abend kenntnisreich moderiert hatte, gemeinsam den Applaus des Publikums entgegennehmen.

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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