Erfolgreiches Großprojekt:Von ansteckender Leidenschaft

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Die Wolfratshauser Musikschule bringt eine gelungene Version der englischen Barockoper "King Arthur" auf die Bühne der Loisachhalle. Musiker und Akteure wachsen über sich hinaus, das Publikum ist hingerissen

Von Susanne Hauck, Wolfratshausen

Der Abend scheint geschafft, die Kostümierung braucht's nicht mehr. Johanna Wex als Prinzessin Emmeline reißt sich die Schuhe von den Füßen und sinkt erleichtert in einen Stuhl. Da wird sie von ihrer Zofe (Katharina d'Huc) scheinbar wütend angefahren: "Wer hatte denn die Idee zu dieser britischen Oper, ausgerechnet jetzt, wo die Engländer den Brexit wollen?" Ein cooler Theaterkniff, um auf all die Macher und Mitwirkenden hinzuweisen, die für das Gelingen des Projekts "King Arthur oder wie Emmeline es sah" verantwortlich sind - allen voran Elisabeth Schäfermeyer (Gesamtleitung) und Annika Tepelmann (Regie).

Immer ist es ein großes, beglückendes Erlebnis, wenn Musiker, Sänger und Schauspieler gemeinschaftlich ihr Bestes geben und das Publikum freudig darauf eingeht, weil es spürt, dass der Abend etwas Besonderes ist. So wie am Sonntagabend bei der Aufführung der Barockoper von Henry Purcell, bei der 80 vorwiegend junge Leute hochkonzentriert auf der Bühne der Loisachhalle stehen.

Eingangs weist Manfred Heller darauf hin, dass die Musikschule Wolfratshausen so ein außergewöhnliches Projekt nicht jedes Jahr aufführen könne. "Es steckt ein ganzes Jahr Arbeit darin", so der Schulleiter. Schäfermeyer und Tepelmann hätten die mehr als 300 Jahre alte Oper "ganz neu aufgerollt", indem sie moderne Instrumente wie Gitarren oder Schlagzeug einfügten - und das Stück aus weiblicher Perspektive erzählen. So wird der Untertitel "The British Worthy - Ein britischer Held" kurzerhand in "Wie Emmeline es sah" umgetauft.

Die blinde Prinzessin Emmeline, gespielt von Johanna Wex, lässt das Publikum am Kampf der Könige Arthur und Oswald teilhaben. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dies ist ein mehrfach genialer dramaturgischer Schachzug, denn so richtet sich der Fokus eben nicht auf den britischen Recken, sondern auf seine ihn sehnsüchtig vermissende Braut. Weil Emmeline die ganze Handlung erzählt, braucht's außerdem keine anderen Darsteller, und dem Zuschauer bleiben die im Original reichlich ermüdend wirkenden Irrungen und Wirrungen erspart. Es reicht zu wissen, dass König Arthur im Clinch mit dem Sachsenkönig Oswald liegt, Emmeline entführt und bedroht wird und dass nach einem - von Sebastian Rupp an den Drums untermalten Showdown - alles wieder gut wird.

Die 18-jährige Abiturientin Johanna Wex übernimmt den textreichen Part der Emmeline, den sie dank ihrer langen Erfahrung als Mitglied der Theatergruppe am Ickinger Gymnasium scheinbar mit links bewältigt. Dass sie eine Blinde verkörpert, unterstreicht optisch sehr wirkungsvoll eine klassische schwarze Augenmaske. Gerade die Zweifel und die Einsamkeit einer liebenden Frau, weil der Held mal wieder in der Schlacht ist, stellt sie sehr überzeugend dar - aufpassen muss sie nur, dass bei so viel Emotionalität ihre Stimme manchmal nicht ins Schrille kippt.

Ein ganzes Jahr Arbeit steckt in dem außergewöhnlichen Projekt der Musikschule Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Erfrischend, dass sich Schäfermeyer für ihr Herkulesprojekt nicht auf das übliche Repertoire wie Mozart und Beethoven verlassen hat, sondern das Wagnis mit der Barockmusik eingegangen ist, die durch zeittypische Klangelemente wie den schreitenden Rhythmus für die meisten Ohren ungewohnt, aber sehr reizvoll ist. Filigrane Instrumente, die im Orchester sonst ein Schattendasein führen, wie die Blockflöte oder das Cembalo, stehen im Mittelpunkt.

Die Oper im Barock war kein bombastisches Gesamtkunstwerk wie später bei Richard Wagner, sondern zur Unterhaltung da, bei der nebenbei gespeist und getrunken wurde. Henry Purcell hat deshalb schon von Haus aus für sein höfisches Publikum einen gefälligen Cocktail angerührt, der aus großen Chorstücken, gefühlvollen Arien (Solisten Christoph Stadtmüller, Anna Kinoshita, Lisbeth Reisnecker-Wilke, Regina Hailmann, Benjamin Hartwig), klangvollen Instrumentalnummern und einem strahlenden, jubilierenden Finale besteht. Gregor Miklik meistert den musikalischen Höhepunkt kraftvoll: Die Arie "What Power Art Thou" des Frostgeists "Cold Genius", der durch die Venus aufgetaut wird, bleibt mit ihrem staccatohaften Takt unvergesslich betörend-verstörend im Gedächtnis.

Mehr als 80 junge Musiker brachten Henry Purcells Barockoper "King Arthur" in Wolfratshausen auf die Bühne. (Foto: Hartmut Pöstges)

Dazu liefert der Chor unter der Leitung von Christian Preißler eine bravouröse Leistung ab, nicht nur stimmlich, sondern auch was all die Schwierigkeiten des englischen Librettos betrifft, was sich im beigelegten Heft prima verfolgen lässt. Längst ist der Funke übergesprungen, wenn die Bauern voll Lebensfreude ihr Trinklied ("Your hay is Mow'd") schmettern und dazu die Bierkrüge schwenken.

Nicht enden wollender Jubel ist der Lohn für dieses Meisterstück von Sängern, Musikern, Darstellern und allen Einstudierenden. Manche Zuschauer in der voll besetzten Loisachhalle spielen mit dem Gedanken, gleich für die zweite Aufführung sitzen zu bleiben.

© SZ vom 26.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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