Einzelhandel:Ansprechpartner statt Amazon

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In der Adventszeit haben die Einzelhändler im Landkreis viel zu tun, aber auch mit Herausforderungen zu kämpfen. Sie bemerken die Online-Konkurrenz, blicken jedoch optimistisch in die Zukunft, wie der Besuch bei vier Ladenbetreibern zeigt.

Von Arnold Zimprich

Entspannte Klänge hallen durch die Industriehalle im Lenggrieser Ortsteil Anger. Marco Schreiber sitzt, einen beeindruckend großen Salat essend, hinter seinem Computer. "Von Anfang November bis Ende Februar ist bei mir tote Hose", sagt der "Radl Rasti" und lacht. Unter diesem Namen, gleichzeitig die Bezeichnung seines Geschäfts, kennt und schätzt ihn die Fahrradszene im Landkreis seit knapp zwei Jahrzehnten.

Von vorweihnachtlichem Stress ist bei Schreiber jedenfalls keine Spur, man folgt gerne seiner Einladung, auf einen großen Couchstuhl neben einer ebenfalls erstaunlich großen Espresso-Maschine Platz zu nehmen. "Wenn die Leute beginnen, vom Skifahren zu reden, wird es bei mir ruhiger", sagt der Ladenbetreiber. "Abgesehen von hart gesottenen Ganzjahresradlern natürlich, die sich im Winter die Spikereifen montieren." Von denen gebe es aber nur wenige. Im Sommer kämen pro Woche 40 bis 50 Reparaturen und weit mehr als 80 Arbeitsstunden zusammen, sagt Schreiber. Den ruhigen Winter brauche und genieße er deshalb.

Merkt er das Weihnachtsgeschäft denn überhaupt nicht? "Doch, die Leute kommen gezielt rein, um beispielsweise für den Nachwuchs ein Rad oder einen Helm zu kaufen." Bei der Frage, ob der Onlinehandel mit seinen Dumpingpreisen einem stationären Fahrrad-Einzelhändler wie ihn zu schaffen macht, muss Schreiber kurz überlegen. "Was den Verkauf von Rädern angeht, merke ich die Online-Konkurrenz auf jeden Fall", gibt er zu. "Die haben zum Teil Verkaufspreise, die unter meinem Einkaufspreis liegen." Trotzdem mache er sich grundsätzlich keine Sorgen. "Was uns auszeichnet, ist der Service", weiß der Fahrradhändler. "Wir nehmen wirklich jede Reparatur an."

Marco Schreiber. (Foto: Arnold Zimprich)

Petra Schenk, Inhaberin des Tölzer Buchhandlung Winzerer, muss bei der Frage, ob Jugendliche inzwischen lieber an Computer und Smartphone hängen, um abonnierte Youtube-Channels zu konsumieren, anstatt sich zu Weihnachten ein Buch zu wünschen, lachen. "Inzwischen ist es schon so, dass prominente Youtuber Bücher schreiben und diese dann gezielt bei uns nachgefragt werden", antwortet sie dann. Schenk blickt optimistisch in die Zukunft ihres Geschäfts. "Wir stecken viel Arbeit in die Auswahl unserer Bücher", sagt sie. "Das wird von den Kunden auch honoriert." Mit insgesamt vier Mitarbeiterinnen stemmt sie das Weihnachtsgeschäft in ihrem Tölzer Laden. "Der Advent ist für uns die umsatzstärkste Zeit des Jahres, wir sind darauf angewiesen."

In diesem Jahr sei es schon Mitte November mit gezielten Anfragen für Weihnachten losgegangen, berichtet die Buchhändlerin. Besonders gut verkauft werde das, was auf den Bestsellerlisten steht oder in den Medien präsent ist: "Dieses Jahr zum Beispiel ,12 000 Jahre Weihnachten' von Gerald Huber. Wir empfehlen Bücher, die uns begeistern und die wir dementsprechend empfehlen können." Schenk legt ihren Kunden zum Beispiel "Fräulein Nettes letzter Sommer" von Karen Duve ans Herz oder den neuen Roman von Wolf Haas, "Junger Mann".

Petra Schenk. (Foto: Anorld Zimprich)

Im Onlinehandel eine Bedrohung zu sehen, kommt Schenk nicht in den Sinn. Sie sieht jedenfalls auch positive Entwicklungen. "Es gibt immer mehr Leute, die Amazon nur als Rechercheplattform benutzen und die Bücher dann bei uns kaufen", sagt die Buchhändlerin, die den seit 1974 bestehenden Laden vor viereinhalb Jahren von Johanna Zantl übernommen hat. "Der Amazon-Algorithmus, der den Kunden Produkte empfiehlt, mag eine schlaue Erfindung sein. Aber wir schaffen das ohne Algorithmus."

Auch für Uli Hofherr, Chef des gleichnamigen Königsdorfer Dorfladens, ist Weihnachten die umsatzstärkste Zeit im Jahr. "600 bis 700 Fleisch-Bestellungen haben wir heuer zu Weihnachten", berichtet er. "Dass der Heilige Abend auf einen Montag fällt, ist allerdings etwas ungünstig". Denn so wird der vierte Advent für Hofherr zum harten Arbeitstag: "Am 23. wird vorbereitet, um 0 Uhr fangen wir dann zu wursten an, damit wir rechtzeitig mit allem fertig sind."

Uli Hofherr. (Foto: Anorld Zimprich)

Seit zehn Jahren betreibt Hofherr den einstigen Edeka in der Königsdorfer Ortsmitte schon unter eigener Ägide. "Die Leute waren heilfroh, dass ich den Laden nach einem Jahr Leerstand übernommen habe", sagt er. Schließlich müsse man sonst nach Geretsried oder Bad Tölz zum Einkaufen fahren. "Viele Kunden kommen allein wegen dem Fleisch - und zwar bis aus Geretsried", resümiert Hofherr. "Die Entwicklung geht steil nach oben." Und was bestellen sie dieses Jahr zu Weihnachten? "Einfachere Gerichte wie Wiener Würstel mit Kartoffelbrei werden wieder populärer", sagt der Händler. Dazu liege Geflügel, insbesondere Truthahn, hoch im Kurs.

In Christa Poschenrieders Spielzeugladen in Ascholding geht es beschaulicher zu. In einem kleinen, länglichen Häuschen im Ortszentrum untergebracht, umgibt ihn eine geradezu romantische Aura. Hinter der Tür versteckt sich ein prall gefüllter, liebevoll eingerichteter Laden, dem man Poschenrieders glückliches Händchen bei der Auswahl sofort anmerkt. 22 Jahre betreibt sie ihn schon, er ist nur am Freitag und am Samstagvormittag geöffnet. Poschenrieder sperrt ihn jedoch auch nach Bedarf auf. "Zwischendurch war es schon mal frustrierend", gibt sie zu. Die viele Arbeit, die sie in den Laden steckt, sei schlichtweg nicht honoriert worden. "Auch die Internet-Konkurrenz habe ich gemerkt. Bevor der Online-Handel vor zehn, zwölf Jahren überhandnahm, war im Laden noch mehr los."

Christa Poschenrieder. (Foto: Arnold Zimprich)

Im Ascholdinger Spielzeugladen steht nicht das andernorts omnipräsente Plastikspielzeug im Vordergrund, sondern viel Holz- und andere hochwertige Spielsachen. Durch ihr besonders Sortiment habe sie viele Stammkunden, sagt Poschenrieder. "Es spricht sich herum, dass wir uns von anderen Spielzeugläden im Landkreis unterscheiden." Die Dietramszeller Bürgermeisterin Leni Gröbmair nickt dazu - auch sie sucht im Ascholdinger Spielzeugladen nach Geschenken. "Dieses Jahr steht das Thema Bauernhof hoch im Kurs", sagt Poschenrieder zum Abschied.

© SZ vom 19.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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