Ein völlig unterschätzter Termin:Zauberhaft

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Die Zirkus- und Varieté-Gruppe "Dimitrigenerations" inszeniert in der leider schwach besetzten Loisachhalle ein künstlerisch perfektes Programm des Tragikomischen

Von Wolfgang Schäl, Wolfratshausen

Kann künstlerische Perfektion allein zum Lachen reizen, den Zuschauer anrühren und bewegen, oder lässt sie das Publikum nur kühl staunen? Eine überzeugende Antwort auf diese Frage hat Dimitrigenerations am Donnerstagabend in der Wolfratshauser Loisachhalle gegeben, eine vierköpfige Zirkus- und Varieté-Gruppe, die vor leider nahezu leeren Stuhlreihen ein makelloses Programm inszeniert hat, das man nur mit dem abgegriffenen Wort zauberhaft richtig beschreiben kann. Es ist ein Zauber, der nicht so sehr ihren artistischen Höchstleistungen entspringt, sondern den vollendet fein dosierten Gesten, einer sensiblen Mimik, einer umwerfenden Musikalität und dem trotz allem auch unentbehrlichen Sinn fürs Komische und Tragikomische. Das alles zusammengenommen verschafft den vier Akteuren von Dimitrigenerations die künstlerische Freiheit, ihre überbordend kreativen Ideen mit leichter Hand umzusetzen und ihrem Publikum immer wieder ein leises Lächeln zu entlocken, ja ihm sogar Momente von Glück zu vermitteln.

"Dimitrigenerations" ist artistisch eine überzeugende Gruppe mit dem richtigen Sinn für Humor und Tragik. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das zu erleben ist ungewöhnlich, ebenso wie der Name der Künstlerfamilie, er leitet sich von ihrem Gründer Dimitri her, der mit seinen Kindern vor mehr als 40 Jahren im renommierten Schweizer Zirkus Knie eine gemeinsame Clown-Nummer inszeniert hat.

Drei Generationen sind es mittlerweile nicht mehr - der Gründer, der Clown Dimitri, ist im Sommer 2015 völlig überraschend im Alter von 80 Jahren gestorben. Die verbliebenen zwei Generationen - Dimitris Töchter Masha und Nina sowie Enkel Samuel - aber sind noch mehr als präsent, unterstützt von Clownin Silvana Gargiulo.

Zirkusartistin Masha schließlich räkelt sich entspannt auf dem durchhängenden Seil und lässt höchst anmutig einen Sonnenschirm tanzen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Da wäre beispielsweise Silvana, die als Pianistin gegen ihr widerspenstiges, wie von Geisterhand über die Bühne geschobenes Klavier kämpft und immer, wenn sie auf dem Klavierhocker Platz nimmt, energisch die Rockschöße hochwirft - ein amüsanter, präzise einstudierter Running Gag. Silvana überzeugt auch in der Rolle eines ziemlich dicklichen sterbenden Schwans, der, verfolgt vom Jäger mit Pfeil und Bogen, im weißen Ballettröckchen theatralisch zu Boden sinkt.

Es ist ein Zauber, der nicht so sehr ihren artistischen Höchstleistungen entspringt, sondern den vollendet fein dosierten Gesten, einer sensiblen Mimik, einer umwerfenden Musikalität und dem trotz allem auch unentbehrlichen Sinn fürs Komische und Tragikomische. (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Jäger, das ist der junge Samuel, der einzige Mann in dem Quartett, der zu Beginn einer engen Kiste entsteigt und für allerlei Schabernack und komisch-artistische Einlagen zwischen den Auftritten sorgt.

Zirkusartistin Masha schließlich räkelt sich entspannt auf dem durchhängenden Seil und lässt höchst anmutig einen Sonnenschirm tanzen.

Den musikalischen Rahmen für das zirzensische Feuerwerk schafft die hochgewachsene, stimmgewaltige Nina, die atemberaubend virtuos auf dem Charango, einem bolivianischen, der Ukulele ähnlichen, kleinen Zupfinstrument, spielt und ihrer Gitarre in höchster Vollendung Flamenco-Klänge entlockt. Allein ihr Auftritt wäre es wert gewesen, in die Wolfratshauser Loisachhalle zu kommen.

Beeindruckend war Nina aber auch als Sängerin mit ihrer hörenswerten Interpretation von "Oh Donna Clara", einem noch immer hoch im Kurs stehenden Gassenhauer aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Der gemeinsame Gesangsauftritt mit Silvana am Klavier fand schließlich das zu erwartende blamable Ende - mit dem Verlust der wallenden Perücke, der die Sängerin mit schnellem Fuß davoneilen ließ. Das Komische und das Tragische sind eben nicht weit voneinander entfernt, im Zirkus und überhaupt.

Dass sich die Künstler vor den leeren Rängen in Höchstform präsentierten, spricht für ihre Professionalität. Die wenigen Zuschauer, die nach entsprechender Aufforderung von Kulturmanagerin Marion Klement allesamt nach vorne rückten, um wenigstens der Bühne näher zu sein, dankten mit ausgiebigem, zu Recht herzlichem Beifall.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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