Seecontainer als Ausstellungsort:Leichte Fracht

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Susanne Posegga reflektiert mit ihren Fotografien das Thema Heimat. (Foto: fam)

Susanne Posegga hat einen Kunstmeilenstein gesetzt: Fotografien fordern zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Heimatbegriff auf

Von Felicitas Amler, Wolfratshausen

Der Brockhaus ist ganz prosaisch: "Heimat, Ort, wo man zu Hause ist". Es klingt so einfach - dabei ist dieses schlichte deutsche Wort von Deutungen überfrachtet, mit Geschichte belastet und mit Emotionen aufgeladen. Der Begriff Heimat "befindet sich", wie ein bekanntes Internet-Lexikon formuliert, "in ständiger Diskussion". Zu einer solchen Erörterung, einem Meinungsaustausch oder auch nur einer Selbstbefragung lädt eines der ganz wenigen eigenwilligen Exponate der "Kunstmeile 2017" in Wolfratshausen ein: der große grüne Seecontainer, der an der Alten Floßlände steht, als sei er versehentlich beim letzten Fest nicht aufgeräumt worden. Und der entdeckt sein will; denn auf den ersten Blick erschließt er sich keineswegs als Kunstmeilenstein. Man muss schon näher rangehen, muss hineintreten und sich offenen Auges umschauen.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Herrliche Begrüßung: Wer die Kunstmeile 2017 abends über den Sebastianisteg ansteuert, wird mit einem kleinen, feinen Lichtspektakel empfangen. Schüler unter Leitung von Marianne Wirth-Grabow und Lichtdesigner Alfred Fraas haben es gestaltet.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Der Seecontainer ist mit den Fotografien von Susanne Posegga geschmückt.

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(Foto: Felicitas Amler)

Entstehungsprozess: Inzwischen klebt der Schriftzug vollständig auf Susanne Poseggas Kunstcontainer.

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(Foto: Hartmut Pöstges)

Im Freien gibt es die Holzarbeiten von Stephanie von Quast zu entdecken.

Susanne Posegga hat den Frachtcontainer an der Loisach aufstellen lassen, mit dem Schriftzug "Heimat" und ihrem Namen versehen und als Ausstellungsraum für ihre kunstvollen Fotografien zweckentfremdet. Die 48-jährige Fotografin, gelernte Silberschmiedin und Absolventin einer Meisterklasse Metall an der Kunstuniversität Linz ist bekennend "chronische Nomadin". Sie stammt vom Starnberger See, ist früh abgehauen, "wahnsinnig viel gereist", war mit dem Rad durch Spanien und Portugal unterwegs, lebt zurzeit in Österreich, will aber vielleicht auch dort wieder weg. Von Heimattümelei ist Posegga also weit entfernt, und das macht sie auch künstlerisch deutlich.

Ihre Fotografien - weit überwiegend Landschaften, selten verirrt sich eine Gans oder ein Frosch in diese Welten - haben alle annähernd das Format handelsüblicher Ansichtskarten. Doch dem klischeehaften "Gruß aus dem Isarwinkel", dem Heile-Welt-Berg-Panorama und Seen-Idyll setzen sie eine eigene Bildsprache entgegen. Selten scheint die Sonne auf diesen Fotos, oft ist es neblig, finster, die Natur ist herb, der Himmel dramatisch, Bäume sind kahl, Felsen schroff und Gewässer wirken eher eisig. Bloß nicht lieblich - das möchte sie nicht. Auch deswegen mag sie die Kanaren mit dem dunkel-karstigen Vulkangestein: "Alles ist so archaisch, wild und rau", schwärmt Posegga. Die meisten ihrer Aufnahmen sind in mattem Schwarz-Weiß gehalten, aus dem sie gelegentlich und nur stellenweise ein wenige Farbe herausarbeitet: wässriges Blau-Grün, herbstliches Gelb, sogar ein überraschendes Azur. In einer speziellen Technik sind diese Miniaturen auf zwei Zentimeter dicke Holzplatten gedruckt, die ihnen eine kompakte Erhabenheit geben.

"Heimat ist kein Ort": Diesen Titel eines deutschen Spielfilms hat die Künstlerin für den Text gewählt, mit dem sie ihr Werk per Zettelanschlag am Container erklärt. Ihre Ausstellung zeuge mehr von Heimatlosigkeit als von Daheimsein, heißt es da. "Konstant im Aufbruch" sei ihr Lebensstil; Heimat ein Gefühl: "Man spürt es besonders dann, wenn es abwesend ist."

Im Gespräch erklärt Posegga, sie habe als 17-Jährige die Schule geschmissen und nur weggewollt: "Ich habe immer gedacht, überall auf der Welt ist es besser als daheim." Dennoch scheint sie mit diesem Daheim durchaus verwurzelt zu sein. Man kann das heraushören, wenn sie von ihren Kenntnissen als Nationalpark-Rangerin und Bergführerin spricht. Und man kann es spüren, wenn man die Fotos aus ihrer Geburtsheimat Bayern und ihrer aktuellen Wahlheimat Österreich betrachtet. Der Seecontainer transportiert vielleicht doch eine gewisse Heimatliebe - so abgetönt und verhalten wie Susanne Poseggas Fotografien. Eine angenehm leichte Fracht.

Wolfratshausen, Alte Floßlände; bis 8. Oktober jeweils 14 bis 19 Uhr

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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