Ein Glanzlicht:Geistliches Kontrastprogramm

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Das "Vokal-Ensemble Icking" hat gemeinsam mit dem "Bohemia Sinfonieorchester" einen musikalischen Glanzpunkt gesetzt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Das Vokalensemble Icking präsentiert unter der Leitung von Peter Marino ein außergewöhnliches Chorkonzert mit Werken von Gounod und Mendelssohn Bartholdy

Von Klaus Peter Volkmann, Schäftlarn

In einer fiktiven Hitparade für geistliche Musik müssten sich Johann Charles François Gounod und Johann Sebastian Bach sicher einen Platz teilen - mit ihrem gemeinsamen Ave Maria, das nicht nur in unseren Breiten immer noch zum Standard-Repertoire kirchlicher Trauungen gehört. Der Franzose hatte die Melodie im romantischen Stil seiner Zeit einem spröden barocken Klavier-Präludium des Thomaskantors übergestülpt und damit eine Brücke geschlagen zwischen zwei musikalischen Welten, die kontrastreicher kaum sein könnten. Der Mix zwischen strenger barocker Form und gefühlvoller französischer Frömmigkeit im "Ave Maria" hätte durchaus ein Leitgedanke für die Programmgestaltung beim Chorkonzert des Vokal-Ensembles Icking am Sonntagabend in Ebenhausen sein können. Gounods Kirchenmusik offenbart eine innige, ehrfürchtige und schlichte Empfindsamkeit. Dagegen wirken die geistlichen Werke seines deutschen Zeitgenossen Felix Mendelssohn Bartholdy durch klare Strukturen und kraftvolle Harmonien. Zweifellos offenbaren beide Komponisten in ihren Werken den romantischen Geist des 19. Jahrhunderts - und sind doch unverkennbar in unterschiedlichen Musik-Kulturen verwurzelt.

An den Beginn seines "Kontrastprogramms" stellte Leiter Peter Marino die Cäcilienmesse, das heute wohl bekannteste kirchenmusikalische Werk Gounods. Eindringliche, mitunter einstimmig vorgetragene Anrufungen Gottes - eine scheue, fast mystisch wirkende Vertonung, wenn es im Text um die Menschwerdung und Heiligkeit Gottes geht - daneben emotional und kraftvoll gestaltete Glaubensaussagen - all dies hat dazu beigetragen, die Cäcilienmesse als Gounods persönliches Glaubensbekenntnis zu betrachten. Dazu gehört wohl auch die überraschende Erweiterung der Messe um Fürbitten für Kaiser und Nation. Dieser letzte Teil ("Domine salvam") mag aus heutiger Sicht befremdlich und überholt wirken, er muss jedoch im Kontext der damaligen Zeit und als Teil der Lebenswirklichkeit des Komponisten gesehen werden. Der Text wurde ins Programmheft gedruckt, die Musik des Bittgebets bei der Aufführung jedoch leider ausgeklammert. Nicht zuletzt all diese Besonderheiten der Cäcilienmesse jedoch haben schon Gounods Zeitgenossen emotional tief berührt und seinen Ruhm begründet.

Nach der großen, die Gefühle des Zuhörers ansprechenden Orchestermesse des Franzosen Gounod präsentierte Marino mit seinem Vokalensemble drei A-Capella-Chöre, anhand derer die Unterschiede zwischen französischer und deutscher Romantik unmittelbar erfahrbar werden. Zunächst erklang Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn" (Text des 100. Psalms) - ein klarer mehrstimmiger Chorsatz, ganz im Stil protestantischer Kirchenlieder. Danach noch einmal Gounod - zu Beginn mit "Ave verum corpus", einer gefühlvoll-romantischen Vertonung des (spätestens seit Mozart) jedem Kirchenchor bekannten mittelalterlichen Textes - gefolgt von einem Chorsatz über den 1. Vers des 42. Psalms: "Sicut cervus" - "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser".

Eben diesen 42. Psalm hat auch Mendelssohn Bartholdy vertont - jedoch in Form einer stattlichen Kantate für Sopran, Chor und Orchester. Es war somit naheliegend, diese groß angelegte Fassung der bescheidenen A-Capella-Vertonung Gounods folgen zu lassen. Gleichzeitig wurde mit Mendelssohns Kantate der großen Cäcilienmesse vom Beginn des Konzerts an dessen Ende ein ebenbürtiges Werk des deutschen Zeitgenossen gegenübergestellt, das den Kontrast zwischen beiden kirchenmusikalischen Welten besonders eindrucksvoll offenbart.

Die Partitur Gounods fordert dazu heraus, im Geiste der französischen Romantik mit eher ruhigen Tempi, mit Mut zu akzentuierten Übergängen und mit extremer dynamischer Ausdruckskraft möglichst große emotionale Eindringlichkeit zu erzielen. Marino vermied die damit verbundenen Risiken und zog eine eher straff angelegte Interpretation vor. Gleichwohl gelang es dem Dirigenten mit dem Vokal-Ensemble Icking, dem Bohemia Sinfonieorchester Prag, sowie den Solisten vor allem im Gloria und im Credo der Messe, die in der Musik angelegte spannungsgeladene Wirkung zu erzielen. Eindrucksvoll vor allem der sphärische Beginn des Gloria mit dem engelhaft strahlenden Sopran-Solo von Beate Hariades, das dramatische "Crucifixus" des Tenors Christian Bauer im Credo, sowie dessen Solo beim ehrfürchtigen Beginn des Sanctus. Für den erkrankten Bass-Solisten Matthias Ettmayr sprang mit Alexander Rampp kurzfristig ein Vertreter ein, der seine Partie souverän bewältigte. Hervorzuheben ist auch das Bohemia Sinfonieorchester, das seine Rolle als tragendes Fundament und Begleiter von Chor und Solisten professionell wahrnahm und nie der Versuchung erlag, die dynamische Balance zwischen Chor und Orchester zu unterlaufen.

Im Gegensatz zur ungewohnt gefühlsbetonten Musik Gounods schien Mendelssohn Bartholdys bereits 1837 entstandene Psalm-Kantate das Publikum in Sankt Benedikt eher zu erreichen. Vieles in diesem Werk erscheint bekannt, erinnert es doch mit musikalischen Motiven und klaren harmonischen Strukturen an die später entstandenen großen Oratorien des Komponisten. Erneut präsentierte der Chor hier einen ausgewogenen, sauberen Klang und eine differenzierte Artikulation. Schließlich sorgte Beate Hariades ein weiteres Mal für einen Höhepunkt mit wunderbaren Soli - im Quintett vor dem Schlusschor ergänzt durch das perfekt harmonierende Quartett mit Julius Steinbach, Stefan Buchka, Leopold Lampelsdorfer und Alexander Rampp.

Am Ende begeisterter Beifall im ausverkauften Kirchenraum - als Dank für ein Konzert, das zweifellos einen weiteren Glanzpunkt in der Geschichte des Vokal-Ensembles Icking mit seinem Leiter Peter Marino darstellt.

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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