Egling:Schwerer Schlitten, flotte Fahrerin

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Michaela Niemetz aus Ergertshausen bei Egling geht dem selteneren Naturbahn-Rennrodeln nach. Sie hofft auf eine Zulassung ihres Sports zu den Olympischen Spielen

Von Sebastian Raviol

Vorbereitung ist alles: Hier poliert Michaela Niemetz die gefährlich scharfen Kufen ihres Rodels. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Startbereich herrscht absolute Ruhe. Michaela Niemetz geht im Kopf noch einmal die 1000 Meter lange Bahn durch. Wann kommt die erste Kurve? Wo muss ich bremsen? Dann wird es ernst. Niemetz setzt sich, platziert ihren Rennrodel, zieht die Brille auf und wartet, bis die Ampel auf Grün schaltet.

Dann holt sie kraftvoll mit den Armen Schwung und fährt los, der Trainer schreit ihr "hopp, hopp, hopp" hinterher. Für 60 Sekunden spannt sie den ganzen Körper an, ist voll auf die Strecke konzentriert. Schnell erreicht sie 30 Stundenkilometer, später fährt sie mit bis zu 80 Stundenkilometer in die Zielkurve ein.

Die 20-jährige Ergertshauserin rodelt, seit sie 14 Jahre alt ist, für den RC Kreuth auf Naturbahnen. Die Sportart ähnelt dem Rennrodeln, unterscheidet sich aber besonders in einem Punkt: "Unsere Bahn ist nicht künstlich in den Kurven hochgezogen, sondern hat gleich hohe Banden." Ihr Vater ist beim deutschen Bob- und Schlittenverband Koordinator für Naturbahn-Rennrodeln und ließ sie bereits mit zwei Jahren auf dem Sportrodel mitfahren. "Mit sechs Jahren bin ich dann alleine gefahren, doch wollte ich irgendwann mehr Geschwindigkeit", sagt Niemetz.

Die erreicht sie beim Naturbahn-Rennrodeln. Der 14 Kilo schwere Schlitten mit seinen scharfen Kufen beschleunigt schnell und wird durch Körperverlagerung, einen Riemen und Hörner gelenkt. Bei den hohen Geschwindigkeiten rächen sich Fahrfehler sofort. Vor zwei Jahren habe sie sich beim Training in Garmisch den Fuß gebrochen, erzählt die Sportlerin, mit der steigenden Erfahrung sinke aber die Gefahr.

In der Saison von Dezember bis Ende Februar geht sie im neunköpfigen A-Kader für Deutschland bei Weltcups, Weltmeisterschaften und Europameisterschaften an den Start. Die Turniere füllen ihren Kalender, sie ist fast jedes Wochenende unterwegs. Wochentags arbeitet sie als Hörgeräteakustikerin bei einem Optiker, der gleichzeitig einer ihrer Sponsoren ist. "Mein Arbeitgeber unterstützt mich sehr, sonst wäre das gar nicht möglich", sagt sie. Freizeit bleibt durch Beruf und Winter-Hobby nur im Sommer. Neben Sprint- und Ausdauertraining reitet Niemetz dann gerne und fährt Mountainbike. Die Zeit muss sie gut einteilen. Sie sagt aber: "Es ist eine Ehre, für Deutschland an den Start zu gehen.

Da nehme ich die Reisen und den Zeitaufwand gerne in Kauf." Ihr Vorbild ist eine russische Naturbahn-Rodlerin, eine mehrfache Weltmeisterin. Niemetz beobachtet deren Technik und versucht, sich stetig zu verbessern. "Es steckt viel Herzblut drin, wenn man es so betreibt, wie ich es betreibe", sagt die ambitionierte Rodlerin. Das zahlt sich in den Platzierungen aus. Unter etwa 80 Teilnehmern erreichte sie bei der vergangenen Weltmeisterschaft den 17. Platz, die Weltcup-Saison schloss sie als Dreizehnte ab. Als Juniorin gewann sie vier Mal die deutsche Meisterschaft.

In Italien und Österreich ist Naturbahn-Rennrodeln populärer, aus diesen Ländern erhalte sie auch Autogrammanfragen. In Ergertshausen werde sie aber auch des öfteren darauf angesprochen. Eine Zulassung zu Olympia würde die Sportart entscheidend voranbringen. Daran arbeiten Sportler und Funktionäre gerade, sodass Rennrodeln auf Naturbahn im Jahr 2022 eine olympische Disziplin sein könnte, erklärt Vater Thomas Niemetz. Wenn die 20-Jährige von ihren bisherigen Turnier-Platzierungen erzählt, klingt sie stolz. Noch stolzer hört es sich nur an, wenn sie von ihrem größten Ziel spricht: "Olympia 2022 wäre mein absoluter Traum."

© SZ vom 17.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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