Digitale Buchhaltung:Bad Tölz scannt seine Gebäude

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Die Stadt führt eine Software für Baupläne und Wartung ein. Bislang verschwindet das Wissen mit der Pensionierung der Mitarbeiter.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wenn sich ein Kind auf einem ihrer Spielplätze verletzt, kann eine Kommune rasch in die Bredouille geraten. Sie hat die Verkehrssicherungspflicht und muss darauf achten, dass Schaukeln und andere Spielgeräte in Ordnung sind. Passiert dennoch etwas, ermittelt die Polizei, die Versicherungen stehen auf der Matte. Dann muss eine Stadtverwaltung schon genau nachweisen, dass jede Woche kontrolliert wurde, ob die Schrauben noch richtig saßen und rostfrei waren, jeden Monat ein Sachverständiger zur Begutachtung kam, jedes Jahr noch ein ausführliches Gutachten erstellt wurde.

"Wie handhabt es eine Verwaltung, wenn sie 20 Spielplätze hat und für jede eine Dokumentation erstellen muss?", fragt Robert Färber und liefert als Geschäftsführer von Bluebook Deutschland die Antwort gleich mit: Am besten mit Bluebook, einer digitalen Buchhaltung zur Immobilien-Bewirtschaftung. Nach Sylt ist Bad Tölz die zweite Kommune, die dieses System einführt. "Eine tolle Sache ist das", sagt Bürgermeister Josef Janker (CSU). "Für uns ist es eine wesentliche Arbeitserleichterung."

Die Südschule in Bad Tölz soll als eines der ersten Gebäude komplett im neuen Bluebook-System dokumentiert werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Für ihre großen Objekte wie zum Beispiel das Rathaus hat die Stadt alle Pläne, Verträge, Fotos, Dokumentationen und andere Unterlagen in ihren Aktenordnern, respektive im Computer. Für die meisten ihrer etwa 100 Häuser gilt solch archivierte Fülle eher nicht. "Sehr viele Daten sind bei den Leuten einfach im Kopf", sagt Färber. Anders ausgedrückt: Ein Mitarbeiter im Bauamt weiß, wann welche Lüftung in welchem Gebäude wieder kontrolliert werden muss, wo wie viele Holzfenster wann auszutauschen sind. Das Problem dabei: All diese Termine kennt oftmals nur er, niemand sonst. Geht er in Pension, ist sein Wissen für die Stadt verschwunden. "Es ist wichtig, dass man das Knowhow konserviert", meint Bürgermeister Janker.

Eben dies leistet Bluebook. Das sieht so aus: Auf einem PC oder einem Tablet ist eine städtische Immobilie aufgeführt, ein Klick, das Bild des Gebäudes taucht auf, ein Klick, die Pläne sind einzusehen, ein Klick, die Gewerke mitsamt den einzelnen Firmen folgen, ein Klick, die Wartungstermine erscheinen. In Bad Tölz könne man nicht alles sofort inventarisieren und digitalisieren, sagt Tobias Hafele aus Österreich, der als einer von drei Partnern im Frühjahr die Bluebook GmbH mit Sitz in Rosenheim gründete. "Wir schaffen ein System, das im laufenden Betrieb Wissen aufbaut zu einer oder mehreren Immobilien." Ziel ist es, einen Mitarbeiter im Rathaus, einen Handwerker, einen Versicherungsvertreter umgehend auf den gleichen Wissensstand zu einem Gebäude zu bringen - "im Idealfall", wie Hafele sagt. Nicht jeder soll dabei den gleichen Zugriff auf die Daten zu einer Immobilie haben, allerdings schon zu allen für ihn wichtigen.

Auch das sanierte Rathaus soll erfasst werden. (Foto: Manfred Neubauer)

Das funktioniert über so genannte Tickets. Eine Stadt hinterlegt alle Basisdaten zu einem Gebäude, also Grundrisse, Pläne, Verträge, Wartungsberichte. Die können von Berechtigten wie etwa Hausmeistern, Handwerkern oder Versicherungen per App abgeholt werden. Sie sind mithin gleich informiert. Die Kommune hat wiederum die Möglichkeit, Aufträge einfach zu vergeben und ihre Einhaltung zu kontrollieren, ohne viel erläutern und einen Papierkrieg führen zu müssen. Auch für eine Handwerksfirma sei dies zeitsparend, erklärt Färber: "Alle Gewerke haben ja eine Bauteilliste, ein Handwerker erfährt daraus, welches Bauteil zu reparieren ist, er muss als nicht hinfahren und sich das erst einmal anschauen." Die Kommune erhält ein Ticket als Beweis, dass auch tatsächlich kontrolliert und nicht bloß schnell angeschaut wurde. Eine Brandschutztür bekomme etwa einen Chip, der mit dem Magnetfeld eines Tablets korrespondiere, so Hafele. Der Handwerker müsse also mit seinem PC nahe ans zu reparierende Bauteil ran. "Man muss zehn bis 15 Zentimeter an ein Ventil, damit sich das Prüfsystem öffnet." Versicherungen wiederum könnten mit ihrem Zugriff auf bestimmte Daten ebenfalls sehen, ob ein solche Wartung erfolgt sei.

Das Bluebook-System ist Hafele zufolge mit Zeitstempeln versehen und "nicht betrügbar". Alle Daten würden in Rechenzentren gespeichert und seien sicher. Noch etwas führt Geschäftsführer Färber als Vorteil an: Bluebook dokumentiere den Lebenszyklus diverser Bauteile - "wenn eine Neonröhre im Jahr 15 Mal ausgetauscht werden muss, ist also vielleicht die Fassung kaputt." Für Stefan Öttl vom Bauamt spart das System ob seiner gebündelten Informationen viel Zeit ein. Bislang sei es ja so, sagt er: "Wir fahren zur Baustelle, machen 40, 50 Fotos, gehen an den Rechner und haben im Nachgang ein halben Tag Arbeit."

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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