Großprojekt zur Energiewende:Solarkraft auf zehn Hektar

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In Bad Tölz gibt es bereits eine Solar-Freiflächenanlage im Ortsteil Farchet. In Dietramszell sollen sich die Paneele auf insgesamt 14 Hektar erstrecken. (Foto: Hartmut Pöstges)

In Dietramszell soll eine riesige Photovoltaikanlage auf freiem Feld enststehen. Sie könnte laut den Planern alle Haushalte der Gemeinde mit Strom versorgen.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht nur für den Klimaschutz unerlässlich, sondern auch eine Voraussetzung, um unabhängiger und weniger erpressbar zu werden - das zeigt der Ukraine-Krieg auf bedrückende Weise. Im Dietramszeller Ortsteil Manhartshofen könnten aus Willensbekundungen nun Taten werden: Ende Januar haben die Grundstückseigentümer Johann und Josef Bacher einen Antrag bei der Gemeinde gestellt, auf dem "Humbacher Feld" eine Freiflächenphotovoltaikanlage zu bauen. Auf dem insgesamt 14 Hektar großen Grundstück soll die PV-Anlage auf einer Teilfläche von zehn Hektar entstehen. Das entspricht in etwa zehn Fußballfeldern. Auf dem Solarfeld in Manhartshofen könnte eine Leistung von 11 000 Megawattstunden pro Jahr erzeugt werden. Das decke den Strombedarf aller Dietramszeller Haushalte, wie Antragssteller Josef Bacher am Dienstag erklärte.

Im Gemeinderat stieß das Vorhaben auf viel Zustimmung, aber auch auf erbitterten Widerstand. Von "Überrumpelung" war die Rede, eine Anlage dieser Größenordnung sei optisch eine Zumutung und landschaftlich nicht verträglich. Zudem gingen wertvolle Flächen für die Landwirtschaft verloren, hieß es. "Wir sind am Anfang der öffentlichen Diskussion", stellte Bürgermeister Josef Hauser (FW) klar. Man müsse sich mit dem Thema auseinander setzen. Windräder seien in der Gemeinde "nicht beliebt, und wir im Süden haben die Sonne." Von einer "hoppla-hopp-Entscheidung" könne aber keine Rede sein, betonte der Bürgermeister. Im Rahmen eines Flächennutzungsplanverfahrens würden die Fachbehörden beteiligt, und jeder Bürger könne seine Einwände einreichen.

Der Gemeinderat folgte schließlich mit 14 zu sechs Stimmen dem Vorschlag der Verwaltung, einen Bebauungsplan aufzustellen und parallel dazu den Flächenutzungsplan, der bisher "Fläche für die Landwirtschaft" vorsah, in "Fläche zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien" zu ändern. Antragsteller und Grundstückseigentümer Josef Bacher warb im Gemeinderat eindringlich für seine Pläne. Wenn Energie regional erzeugt werde, könne man sich riesige Stromtrassen womöglich sparen, erklärte er. Der Strombedarf steige, auch für Verkehr und Wärmeerzeugung. Und PV auf Dachflächen werde nicht ausreichen, das Potenzial sei zu gering. Außerdem sei nicht jedes Dach geeignet, es brauche die richtige Ausrichtung und Größe. Eine Fläche von zehn Hektar mit Solarmodulen - "das schaut relativ groß aus", räumte Bacher ein. Gemessen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Gemeinde, die insgesamt 4000 Hektar betrage, würde für sein Vorhaben aber nur 0,25 Prozent gebraucht. Das Gelände sei "wellig", und man könne von den allermeisten Perspektiven aus nur einen Teil der Anlage sehen. Entscheidend sei der Ertrag: Die Anlage könne den Strombedarf aller Haushalte in der Gemeinde decken. Zu extrem günstigen Preisen, denn die Erzeugungskosten lägen bei fünf Cent pro Kilowattstunde und damit niedriger als bei Atomstrom, sagte Bacher. Allein der Anschluss an das Stromnetz, der über eine Trasse an der Tattenkofener Brücke erfolgen soll, koste eine halbe Million. Bei einer Verkleinerung der Fläche "scheitert das an der Wirtschaftlichkeit", sagte Bacher.

Die geplante Photovaoltaikanlage beim Ortsteil Manhartshofen (rot markiert) soll eine Fläche von zehn Hektar bekommen. (Foto: Gemeinde Dietramszell)

Von seinen Argumenten ließen sich freilich nicht alle überzeugen. "Ich bin total überrumpelt worden", schimpfte ein Nachbar, der in der Sitzung als Zuhörer dabei war. "Wir brauchen die Energiewende, das ist klar", sagte er. Aber auf zehn Hektar Fläche "in der freien Landschaft so eine Anlage drauf zu setzen", das mache keinen Sinn - solange das Potenzial auf Dächern oder entlang von Autobahnen noch nicht ausgeschöpft sei. Außerdem liege das Grundstück an einem Hang, da müsse das Thema Oberflächenwasser geklärt werden. Er werde gegen das Vorhaben Widerspruch einlegen. Michael Häsch (CSU) warnte davor, Flächen für die Landwirtschaft zu verlieren. "Wir müssen auf den knappen Flächen Nahrung und Energie gewinnen und für Biodiversität sorgen." Häsch schlug vor, Agri-Photovoltaik einzusetzen. Denn diese Anlagen ermöglichten durch eine Aufständerung der Module eine gleichzeitige Nutzung für die Landwirtschaft und für die Stromproduktion.

Der Grundstückseigentümer wollte davon nichts wissen. Mit Agri-PV würden sich die Kosten erhöhen, aber der Nutzen für die Landwirtschaft sei bescheiden. Fünf Meter hohe Modulwände seien nötig, die weit auseinander stehen müssten, damit sie sich gegenseitig nicht beschatten. Für die Erzeugung von Grünland sei das nicht geeignet. Und auch der Stromertrag wäre dann geringer. Falls die Gemeinde entsprechende Auflagen mache, "können wir uns das gleich sparen", drohte Bacher. Gleiches gelte im Falle einer "Verzögerungstaktik", die nur die Baukosten in die Höhe treibe. Die Sorge von Xaver Huber (BLD), dass nun ein Feld nach dem anderen mit Solar-Modulen bepflanzt werden könnte, entkräftete Bürgermeister Hauser: "Wir als Gemeinde haben die Planungshoheit, und im Regionalplan gibt es keine Vorrangebiete für PV."

Den Antrag von Huber, das Thema zu vertagen und einen Arbeitskreis zu gründen, der ein Gesamtkonzept erstellen soll, lehnte der Gemeinderat mit knapper Mehrheit ab. Am Ende überwogen die Befürworter, die den Antrag planungsrechtlich auf den Weg bringen wollten. "Wir sind im Bereich Photovoltaik schlecht aufgestellt", sagte Bernhard Fuchs (FW). Für die Erzeugung einer vergleichbaren Energiemenge bräuchte man 2000 Dächer. "Dass es nicht schön ausschaut, ist in Anbetracht der Situation nicht so entscheidend", sagte Fuchs. Denn der Krieg in der Ukraine zeige deutlich die Schwäche: die Abhängigkeit von fossilen Energien.

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