Der Eismeister von Wolfratshausen:Der gegen die Sonne kämpft

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Wenn die Sonnenstrahlen kommen, muss sich Eismeister Michael Knittel sorgen: Dann droht ihm das Eis wegzuschmelzen. (Foto: Viktoria Spinrad/oh)

Michael Knittel pflegt die Wolfratshauser Eisbahn. Er erklärt, wie das bei diesen frühlingshaften Temperaturen funktioniert

Von Viktoria Spinrad, Wolfratshausen

Eine Wolke schiebt sich zur Seite, sodass die Sonne über Wolfratshausen erstrahlt. Doch Michael Knittel schaut nicht glücklich aus, im Gegenteil: Skeptisch blickt er gen Himmel. "Sonnenschein ist schlecht", sagt der 39-Jährige mit der grünen Mütze: Dann kann ihm das Eis wegschmelzen. Eben das zu verhindern ist dieser Tage sein Job: Knittel ist schließlich der Eismeister. Seine Mission sind sieben Wochen Freizeitgarantie für die Wolfratshauser Nachwuchs-Eisläufer.

Kein einfacher Job dieser Tage, da das Thermometer frühlingshafte Temperaturen anzeigt. Gefährlich nahe ran an die 20 Grad, ab denen er zusperren müsste. "Ab dann fährt man nur noch im Wasser", sagt er. Und die Energiekosten, die man hier aufwenden müsste, um das zu verhindern, "die wären einfach zu hoch".

Knittels Job an der Loisach ist ein Balanceakt: Auf der einen Seite soll der Betrieb durchgängig gewährleistet sein - nicht so wie im vergangenen Jahr, als man ohne Eismeister wegen schlechten Wetters zwischendurch zusperren musste. Auf der anderen Seite darf er aber auch den Kostenrahmen nicht sprengen: Mehr als 55 000 Euro Defizit möchte die Stadt mit der Eis-Gaudi nicht machen.

Eben deshalb wacht Knittel dieser Tage über ein Kühlaggregat, das es in sich hat: vier mal 1,20 Meter, mehr als eine Tonne schwer, dazu ein lautes Brummen: Das ist Knittels Baby, das er dieser Tage zu umsorgen hat. Er deutet auf zwei Schläuche: Durch einen läuft die pinkfarbene Kühlflüssigkeit hinein, durch den anderen wieder hinaus. Zwischen minus fünf und minus neun Grad bewegt sich Knittels Spielraum; an diesem Donnerstagnachmittag liegt die Kühltemperatur bei minus sechs Grad. Es sind also noch gute Aussichten. Denn je mehr die Maschine kühlen muss, desto teurer wird es für die Stadt.

Ein Bub hält auf der Eisfläche am Rand an und fragt nach einem Schneeschieber. "Bring ich dir", der Eismeister in feinstem Österreichisch. Kurz darauf flitzt der Bub mit dem Schieber über die Eisfläche. Knittel scheint kein schlechter Pädagoge zu sein. Kein Wunder, der Mann aus dem Lechtal ist auch Skilehrer. Eine Branche, in der die Frage nach der Nachhaltigkeit mit steigenden Temperaturen immer häufiger gestellt wird. Auch in Wolfratshausen, das auf der einen Seite den Klimanotstand ausruft und auf der anderen eine Eisfläche betreibt, kann man dies fragen. Knittel verweist darauf, dass das Kühlaggregat ein Drittel weniger als herkömmliche Geräte verbrauche. "Es ist doch auch wichtig, dass sich die Kinder bewegen", sagt er. Zudem wacht er auch nachts über die Temperaturen: Wird es kalt genug, drückt er den roten Hauptschalter, das Gerät geht aus.

Sein Einsatz scheint sich zu lohnen: Bereits jetzt verbucht die Stadt doppelt so hohe Einnahmen wie im Vorjahr, auch viele auswärtige Schüler kommen zur Eisgaudi nach Wolfratshausen. Einer mit Sommersprossen steht jetzt vor ihm und fragt nach einer Laufhilfe. "I bring's dir gleich", sagt er. Wohl im Wissen, dass er hier viel mehr als der Eismeister ist.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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