Debatte:Verhandlungen bei offener Tür

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Die Wolfratshauser Baugenossenschaft nötigt den Räten eine öffentliche Wohnbau-Debatte ab

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Über den Kauf und Verkauf von städtischen Grundstücken sprechen die Stadträte auch in Wolfratshausen grundsätzlich hinter verschlossenen Türen. Kein möglicher Geschäftspartner soll zu viel über konkurrierende Angebote oder die preislichen Schmerzgrenzen der Stadt erfahren. Die Baugenossenschaft Wolfratshausen (BGW) ist so ein möglicher Geschäftspartner, und sie hat dieses Mal selbst einen weniger diskreten Weg gewählt: In ihrer Mitgliederversammlung hat sie der Stadt für das Grundstück zwischen dem evangelischen Gemeindehaus und dem Friedhof in Waldram öffentlich ein Angebot gemacht und die Entwürfe für 45 geförderte Wohnungen, vulgo Sozialwohnungen, gleich mitgeliefert. Die Stadträte, denen die BGW ihre Pläne zuvor in den Fraktionen vorgestellt hatte, sehen sich nun genötigt, das Projekt ganz gegen ihre Gepflogenheiten öffentlich zu diskutieren.

Denn was die BGW vorschlägt ist ein Angebot, das die Stadt durchaus ablehnen kann - und das sie auch schon einmal abgelehnt hat. Noch in seiner früheren Besetzung vor der Wahl 2014 hatte der Rat den Wunsch der Baugenossenschaft zurückgewiesen, das Grundstück zu günstigen Konditionen zu erhalten - damals hinter verschlossenen Türen. Denn die BGW bietet für eine der wenigen übrigen Wohnbauflächen im Stadtgebiet nach eigenen Eingeständnis weit weniger als die Stadt dafür auf dem freien Markt erzielen könnte. Dass die Stadt ein solches Geschäft überhaupt abschließen darf, hat die BGW für sich selbst schon geklärt: Eine unzulässige "Veräußerung unter Wert" sei das nicht, wenn die Stadt auch Vorteile benennen könne - etwa den, günstigen Wohnraum zu schaffen.

Zu diesem Ziel haben sich vor der Wahl alle politischen Gruppen mit unterschiedlichem Nachdruck bekannt - allen voran Grüne und die SPD, die das Thema immer wieder anspricht und mit Fritz Schnaller ganz offiziell einen direkten Draht in die BGW hat, seit der Zweite Bürgermeister nun deren neuer Aufsichtsratsvorsitzender geworden ist.

Bürgervereinigung und CSU reagieren auf den BGW-Vorstoß verhaltener, und die Stadtverwaltung sieht viele Fragen offen. So ist das Grundstück im Flächennutzungsplan derzeit als Grünfläche definiert. Das zu ändern und den nötigen Bebauungsplan aufzustellen, werde schon zwei Jahre dauern. Und unabhängig davon, ob vor oder nach dem Planverfahren verkauft werden solle: Öffentlich ausschreiben müsse man das Grundstück auf jeden Fall, heißt es aus dem Rathaus. Dann könnten andere Interessenten mitbieten, etwa die üblichen Bauträger. Lege man in der Ausschreibung Höchstmieten wie die von der BGW anvisierten 8,50 Euro pro Quadratmeter fest, dann könne das Investoreninteresse womöglich erlahmen. Verluste werde aber auch die BGW nicht machen wollen.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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