Bürgerladen:Das schlechteste Geschäft der Stadt

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Ex-Stadtrat und Makler Johannes Schneider ärgert sich über das Aus des Bürgerladens. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ex-Stadtrat und Makler Johannes Schneider übt harte Kritik am Bürgerladen-Beschluss im Rathaus - den seine CSU vorangetrieben hatte. Das Aus für das Vorzeige-Projekt sei "ohne jeden Sachverstand" getroffen worden

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Johannes Schneider hat in und mit der Wolfratshauser Lokalpolitik schon viel erlebt. Von 1978 bis 1990 saß er für die CSU im Stadtrat und war zeitweise Zweiter Bürgermeister, später engagierte er sich unter anderem im Verein "Lebendige Altstadt Wolfratshausen" und in der Baugenossenschaft. Als Seniorchef der Immobilienvermittler Schneider & Prell ist er eine Art Elder Statesman der örtlichen Maklerzunft. Doch auch für Schneider hält die Ratspolitik noch Überraschungen bereit: "Ich habe mir gedacht, das kann doch nicht wahr sein. Da dreht sich mir der Magen um", sagt er zu dem Ratsbeschluss aus der vergangenen Woche, das stadteigene Eckhaus am Untermarkt 10 nicht zu sanieren, sondern einem Investor in Erbpacht zu überlassen und von diesem das Heimatmuseum in den oberen Etagen zurückzumieten.

Diese Entscheidung sei offenbar ohne jede Überlegung und auf jeden Fall ohne jeglichen Sachverstand gefällt worden, sagt Schneider. Denn für einen Investor könne sich das beschlossene Erbpacht-Modell nur rentieren, "wenn die Stadt so ein miserables Geschäft macht wie beim alten Vermessungsamt." Was den Verfechtern der Erbpacht-Lösung für den Untermarkt 10 als Positiv-Beispiel dient, ist in Schneiders Augen "das schlechteste Geschäft, seit ich die Lokalpolitik beobachte". Denn für das einst marode, vom Investor Jürgen Kindervater aufwendig sanierte Vermessungsamt kassiert die Stadt ungefähr so viel Erbpacht, wie sie für eine Zweizimmer-Wohnung an Miete erhalten würde. Zugleich mietet sie eine einzelne Etage des vierstöckigen Hauses für sehr viel mehr Geld zurück. Dabei hätte die Stadt nach Schneiders Überzeugung - und laut einem Gutachten, das er einst ehrenamtlich dazu angefertigt hat - die Sanierung leicht selbst finanzieren und die Kredite mit den Mieteinnahmen abbezahlen können. Und sie hätte das Haus dann noch selbst in der Hand.

Für den Untermarkt 10 liegen die Dinge aus Schneiders Sicht ähnlich, nur dass die Stadt die Finanzierung mitten in einem historischen Zinstief noch viel leichter stemmen könnte, während sie andererseits mit viel geringeren Erbpacht-Einnahmen und mit einer viel höheren Miete für das große Heimatmuseum rechnen müsste. Gerade wegen günstiger Kreditzinsen beim Kauf seien Erbpacht-Modelle bei Investoren derzeit ohnehin nicht gefragt. Die Erbpacht scheide für jeden aus, der wirtschaftlich denke, sagt der Makler Schneider, und zwar aus der Perspektive möglicher Investoren wie aus der Perspektive der Stadt.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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