Bene-Pharachem:Das große Warten

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Nach dem Chemieunfall steht die Produktion in dem Geretsrieder Pharmaunternehmen immer noch still und könnte erst in einem oder mehr Monaten aufgenommen werden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt - gegen Einsatzleiter Kagerer.

Von Birgit Lotze

Mehrmals einer Reinigungsprozedur unterzogen wurden die Feuerwehrleute, die mit Spezialausrüstung nach dem Störfall vor vier Wochen im kontaminierten Bereich der Bene-Pharmachem die lebensbedrohliche Säure beseitigten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vier Wochen nach dem Störfall bei dem Arzneimittelhersteller Bene- Pharmachem in Geretsried kann immer noch nicht gearbeitet werden. Die Mitarbeiter der Produktion wurden inzwischen aufgefordert, Überstunden abzubauen oder Urlaub zu nehmen. Bislang wurden sie vor allem für Reinigungsarbeiten eingesetzt, die nach dem Unfall nötig wurden. In der Werksführung geht man davon aus, dass der Betrieb noch länger stillsteht. "Ein weiterer Monat könnte realistisch sein", sagte der Arzt Klaus Maag, der die Forschung und Entwicklung bei Bene-Pharmachem leitet. "Aber es könnte sogar noch länger dauern."

Bei dem Störfall in der Woche nach Ostern war in dem Werk in der Bayerwaldstraße 7 Chlorschwefelsäure ausgetreten und hatte eine Großaktion von Rettungskräften ausgelöst. Mehr als 30 Stunden waren mehr als hundert Einsatzkräfte vor Ort, vor allem freiwillige Helfer der Feuerwehr und des Roten Kreuzes. Mit der Chlorschwefelsäure stellt die Bene-Pharmachem als weltweit einziges Unternehmen den Wirkstoff Natrium-Pentosan-Polysulfat her. Ausgetreten ist die lebensbedrohliche Flüssigkeit laut Werksleitung beim Wechsel der zu- und abführenden Schläuche an einem der drei mannshohen Fässer, in denen die Säure gelagert wird.

Der Zwischenfall bei der Bene-Pharmachem hat inzwischen auch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Ermittelt wird wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Einsatzleiter der Rettungskräfte. Einer der Feuerwehrleute war bei dem Einsatz leicht kontaminiert worden. Er hatte sich trotz Schutzanzuges mit der ätzenden Säure am Unterarm verletzt und war kurz im Krankenhaus behandelt worden. Die Ermittlungen beunruhigen Feuerwehrkommandant Martin Kagerer, der auch Kreisbrandmeister für Geretsried ist, nicht. Diese seien üblich, sobald Einsatzkräfte verletzt würden. "Das ist ein Standardvorgang", der so gut wie nie zur Anklage der ehrenamtlich tätigen Rettungsleiter führe.

Die Kosten für den Einsatz der Feuerwehr bezifferte Kagerer vor dem Geretsrieder Stadtrat auf 35 000 bis 40 000 Euro. Sie werden dem Unternehmen in Rechnung gestellt. Bei Bene-Pharmachem hat man noch keine Zahlen über die Folgen des Störfall aufgestellt. Auch die Kosten des Produktionsausfalls seien derzeit nicht absehbar, sagt Maag. Derzeit würden Kunden aus dem Lager beliefert, die Bestände reichten noch für weitere Wochen.

Die Firma ist angesichts des Großeinsatzes der Rettungskräfte und auch des andauernden Stillstands des Werks bemüht, eventuelle Sorgen der Bevölkerung über die möglichen Wirkungen von austretender Chlorschwefelsäure zu zerstreuen. Klaus Maag spricht von einem "Malheur". Alles sei inzwischen "picobello" gereinigt. Die Maschinen seien sämtlich voll funktionsfähig. Auch die Verkabelung sei noch in Ordnung. Allerdings sei die Isolierung der Kabel teilweise angegriffen. Die Dauer des Stillstandes ist laut Maag vor allem auf Steuerungskabel zurückzuführen, die von einer Spezialfirma besorgt und verlegt werden müssten und deren Prüfung sehr langwierig sei. "Es muss sichergestellt sein, dass sie die Signale korrekt übertragen", sagte Maag.

Kommandant Kagerer sagte im Geretsrieder Stadtrat, dass sich in Europa kein Unternehmen gefunden habe, das die ätzende Flüssigkeit umgefüllt, abgeholt oder transportiert hätte. Wie berichtet, wurden die Tanks auf dem Firmengelände abgedichtet, gereinigt und wieder in den entsprechenden Schutzraum bei Bene-Pharmachem gebracht. Der Geretsried der Stadtrat applaudierte Kagerer stellvertretend für die Rettungskräfte am Dienstagabend. Der Einsatz sei sehr professionell gewesen. Auch das Landratsamt hatte sich bereits lobend geäußert.

© SZ vom 03.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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