Beim Abbruch des Hauses:Buchheims Kunstdrucke landen im Müll

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Die Villa des verstorbenen Sammlers in Feldafing wird abgerissen. Beim Ausräumen des Hauses werden Postkarten und Kalender im Container entsorgt

Von Otto Fritscher, Marcella Rau, Feldafing

Vor der Villa steht ein roter Baucontainer - nicht ungewöhnlich für ein Abrisshaus, der Inhalt ist es allemal. Er hätte es kaum glauben können, berichtet der Feldafinger Thomas Niggl, als er einen Blick in den Container geworfen hat: Er sei bis oben hin voll mit Kunstdrucken und Kalendern Buchheims gewesen. Weggeworfen, als wären sie profanes Schmierpapier. Doch es sei noch schlimmer gekommen. Vorm Haus türmt sich ein Haufen aus Ordnern, Pappe, Stoff, Plastikrohren und anderen Überbleibseln aus der Villa, obenauf ein zerbrochener pinkfarbener Wäschekorb. Genau hier habe er Postkarten und Kunstdrucke gefunden, säuberlich in Umschläge verpackt und nummeriert. Auch Druckvorlagen, Filme und selbst private Fotos Buchheims seien im Müllberg begraben gewesen, sagt Niggl.

Es war eine lange und turbulente Geschichte, die Lothar-Günther Buchheim mit seiner Heimat Feldafing verband und die nun definitiv vor dem Ende steht. Auf dem Gelände der ehemaligen Villa des Feldafinger Verlegers, Malers, Buchautors und Sammlers türmt sich Schutt, die Fenster fehlen, in den Nebengebäuden klaffen Löcher in den Wänden, die Dächer sind abgedeckt. Doch ein Gebäude ist mehr als Steine, Ziegel und Holz; gerade ein Haus, in dem eine Persönlichkeit wie Buchheim lange gelebt hat. Und deshalb schmerzt es viele zu sehen, wie es in Einzelteile zerlegt wird und Gegenstände, die einst ein Leben begleitet haben, nun Müll sind.

Selbstverständlich seien hier Objekte nicht ohne Sinn und Verstand weggeworfen worden, versichert Daniel Schreiber, Direktor des Buchheim-Museums. Die Villa sei gründlich untersucht und alles von Wert, sämtliche Originalgrafiken etwa, gesichert worden. Alles, was je durch den Buchheim Verlag ging, liege dem Museum in mindestens fünffacher Stückzahl vor, versichert Schreiber. Es könne nicht alles aufgehoben werden. Zudem seien die Werke stark von Schimmel befallen. Allein die Dekontamination aller relevanten Gegenstände habe einen sechsstelligen Betrag erforderlich gemacht. Das Archiv des Museums platze schon aus allen Nähten, für viele Dinge gebe es keinen Markt. Bei allem Verständnis, das er für die Empörung einiger Anwohner habe, bleibe nichts anderes übrig, als zu entsorgen.

Der Erhalt der Villa war finanziell nicht zu stemmen. Dennoch: "Es ist, als würde ein Stück Seele gehen", sagt Marlies Oelkers. Ihr Haus grenzt an die Villa, das Ehepaar Buchheim kannte sie persönlich; öfter sei ihr Nachbar, der selbst keinen Fernseher besaß, vorbeigekommen, um sich eine Sendung anzusehen. Zum Geburtstag hätten sie einander kleine Geschenke gemacht. Und Buchheims Ehefrau habe immer gewollt, dass ihre Hausangestellten sich auch nach ihrem Tod um das Haus kümmern. Dem Abriss hätte sie nicht zugestimmt, meint Oelkers. Deshalb schmerze es sie so, wie jetzt mit dem Nachlass umgegangen werde. Sicherlich ist das Lebenswerk Buchheims nicht im Dreck gelandet. Dennoch: Die Kunstdrucke im Müll sind Sinnbild für das Ende einer turbulenten Geschichte, die Buchheim mit den Feldafingern verband. Einst hatte er sie als "Gullyratten" bezeichnet.

Dem Abriss der Villa war eine längere Debatte im Gemeinderat vorausgegangen. Der Erhalt des Wohnhauses, in dem das Ehepaar Buchheim mehr als 50 Jahre lang gelebt hatte, scheiterte daran, dass das Haus nicht unter Denkmalschutz steht. Die Behörde hatte dies auch nach einem erneuten Vorstoß abgelehnt. Die einzige Möglichkeit, das Gebäude zu erhalten, wäre es gewesen, wenn die Villa von "ortsprägendem Charakter" wäre, was sie nicht ist. Allein der Umstand, dass Buchheim darin gewohnt habe, reiche für den Denkmalschutz nicht aus. Im Gemeinderat hatten sich zunächst die Befürworter des Erhalts gemeldet, aber Bürgermeister Bernhard Sontheim hatte sich skeptisch gezeigt, ob sich das Haus erhalten lasse und ob es überhaupt erhaltenswert sei. Die Buchheim-Stiftung als Besitzerin des Grundstücks hatte drei Vorstöße gebraucht, bis der Gemeinderat den Neubau billigte. Die ersten beiden Versionen waren den Räten zu massiv, woraufhin das Gremium eine Veränderungssperre für das Gebiet erließ. Für diese war 2016 eine Ausnahmegenehmigung erteilt worden, nachdem die Baumasse für den Neubau reduziert worden war.

Die Stiftung wird nun eine Wohnanlage mit zwei Mehrfamilienhäusern bauen, um mit den Mieteinnahmen das Museum zu unterstützen. Die Stiftung hatte die Bausubstanz untersuchen lassen. Alleine die Instandsetzung der Villa hätte demnach mindestens eine Million Euro gekostet. Die Stromleitungen sind an die 80 Jahre alt, Nagetiere und Schimmel haben sich eingenistet. Auf einem Infoabend hatte Museumsdirektor Schreiber auch eine museale Nutzung der Villa, wie es sich etliche Feldafinger gewünscht hatten, ausgeschlossen. Er rechnete mit jährlich 600 Besuchern in Feldafing - zu wenig. Bürgermeister Sontheim: "Schade, aber letztendlich war die Villa nicht erhaltenswert."

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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