Behördenreform:Insolvenzgericht soll nach München

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Juristen und Schuldnerberater protestieren gegen geplante Umstrukturierung, die den ganzen Landkreis betreffen würde.

Bernhard Lohr

Im Oberland formiert sich Widerstand gegen eine Schwächung der Amtsgerichte in Wolfratshausen und Weilheim. Ein am 23. Februar von der Bundesregierung beschlossener Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, die Insolvenzgerichtsbarkeit auf wenige Gerichte zu konzentrieren.

Es soll je Landgerichtsbezirk nur noch einen Standort geben. Das wäre dann wohl in München. Richter, Insolvenzverwalter und Schuldnerberater im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen laufen dagegen Sturm. Sie beklagen, dass Verfahren vom fernen München aus nicht so effektiv bearbeitet werden können wie bisher. Von Lobbyarbeit für Großkanzleien ist die Rede.

Die Bundesregierung zieht mit der Neuregelung Lehren aus der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise. Das erklärte Ziel lautet, Firmensanierungen einfacher, effektiver und schneller hinzubekommen. So sollen künftig Gläubiger mehr Einfluss auf die Auswahl des Insolvenzverwalters bekommen und nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Möglichkeit bestehen, die bisherige Geschäftsführung stärker einzubinden.

Eine neue Insolvenzkultur sei das Ziel, heißt es in dem Gesetzentwurf, den die Stimmkreisabgeordnete, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), propagiert. Zwingend erforderlich ist dafür nach ihrer Überzeugung auch eine Konzentration der Gerichtsbarkeit auch für Verbraucherinsolvenz- und sonstige Kleinverfahren.

Nach bisherigem Stand würde damit wohl dem Amtsgericht Wolfratshausen diese Zuständigkeit, die es für die Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach hat, entzogen. Die Wolfratshauser Richterin Adelinde Gessert-Pohle befürchtet nur Nachteile. Gerade in kleinen Gerichten gebe es dank geringer Fluktuation beim Personal viel Erfahrung und Kompetenz. Sie selbst bearbeite seit mehr als 13 Jahren Insolvenzverfahren und habe zwei Rechtspfleger zur Seite, die sich seit Jahren ausschließlich mit solchen Fällen befassten.

"Die Bürgernähe leidet", sagt sie. Schuldnerberaterin Christina Freundorfer von der Caritas in Wolfratshausen sieht große Nachteile für ihre Klienten, die naturgemäß wenig Geld in der Tasche haben und nicht ohne weiteres die Fahrt von Lenggries oder vom Tegernsee bis nach München auf sich nehmen können, um zum Gerichtstermin oder nur zum Insolvenzverwalter zu kommen.

Allgemein wird erwartet, dass künftig bei der Vergabe der Insolvenzverwaltung Münchner Kanzleien stärker zum Zug kommen würden. Richterin Gessert-Pohle bewertet den Vorstoß aus Berlin deshalb auch als "Lobbyarbeit für Großkanzleien". Mehrere Kanzleien im Oberland wollen das nicht einfach hinnehmen.

Michael George von der Wolfratshauser Kanzlei Lecon sagte, man habe sich zu einer gemeinsamen Protestnote durchgerungen. Bei einer Insolvenzverwaltung zähle doch auch die "Kenntnis der regionalen Strukturen". Es gehe um Netzwerke und gerade auch bei Privatinsolvenzen um gute Erreichbarkeit, weshalb Lecon auch ein Büro in Miesbach unterhalte. "Wenn es darum geht, ein Unternehmen zu retten, wird auch viel Einsatz vor Ort verlangt."

Der Stimmkreisabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, Florian Streibl, kündigt Widerstand an. Er sagt, der Bund nehme den Bundesländern die Möglichkeit, selbst über die Anzahl ihrer Insolvenzgerichte zu entscheiden. Eine "pauschale Zerschlagung der bestehenden Insolvenzgerichte" sei nicht hinnehmbar. Die Zuständigkeit in Wolfratshausen und Weilheim müsse erhalten bleiben. Ansonsten werde eine "zügige und bürgernahe Betreuung" gefährdet.

© SZ vom 02.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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