Baukunst:Architektur und Natur im Dialog

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In Bad Tölz gibt es herausragende Beispiele moderner Baukunst. Die "eMotion-Base" soll durch ihre Rundform Gemeinschaft herstellen. Die Realschule und die Von-Rothmund Schule prägen den Unterrichtsalltag.

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Nach dem Ende der Sommerferien sind die Gänge und Räume der Realschule und der Von-Rothmund-Schule in Bad Tölz wieder voller Leben. Zur Unterrichtszeit prägen sie den Alltag von Kindern und Jugendlichen im besten Fall positiv. Beide Gebäude zählen in der Kreisstadt zu den herausragenden Beispielen neuer Architektur im Spannungsfeld zwischen modernen und traditionellen Bauformen - genauso wie die "eMotion-Base auf der Flinthöhe. Alle drei Gebäude zeigen, wie sich zeitgemäß, innovativ und trotzdem identitätsstiftend bauen lässt.

In exponierter Hanglage mussten die Architekten planen, um die Realschule zu erweitern und ein Heizwerk zu integrieren. Beim Neubau der Von-Rothmund-Schule galt es die Bedürfnisse geistig-behinderter Kinder zu berücksichtigen. Eine ungewöhnliche Rundform wählten die Architekten bei der "eMotion-Base" als Ort für Sport und Seminare. Die Gebäude wurden in diesem Jahr auch im Rahmen der Architektouren der Bevölkerung nahe gebracht, indem die Bürger die Häuser besuchen konnten.

eMotion-Base

Besonders nachts wirkt der neue Bewegungs- und Seminarraum der Sportjugendherberge auf der Flinthöhe wie ein Ufo. Dann leuchtet das LED-Lichtband des Rundbaus in verschiedenen Farbkombinationen in die Dunkelheit. Der umlaufende Holzbalkon setzt das Gebäude optisch vom Erdboden ab. Dadurch scheint es fast in der Luft zu schweben. Genau diese leichte Anmutung wollten die Mitarbeiter von der Krämmel Bauplan GmbH dem Haus auch geben. "Es sollte nicht wie ein Klotz wirken", sagt Architekt Axel Klein.

Die kreisrunde Form der "eMotion-Base" ist leicht zu verstehen. Wie Klein schildert, sollte ein Gebäude entstehen, in dem keiner in der Ecke stehe. Das greife den Grundgedanken des deutschen Jugendherbergswerks auf, Gemeinschaft herzustellen. Außerdem eröffne ein Rundbau ganz unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten - von Seminaren, Vorträgen bis zu allen Arten von Gymnastik. Durch das Lichtband mit 1500 LED-Lampen könne der Raum nach innen und außen beleuchtet werden. "Es soll alle Emotionen wecken, sobald man den Raum betritt", erklärt Klein.

Die landschaftliche Lage direkt an den Ausläufern der Alpen wurde in die Konzeption eingebunden. "Wir wollten einen Ort schaffen, der die Bergwelt direkt in das Gebäude reinholt", berichtet Klein. Daher ermöglichen großflächige Verglasungen nach Süden und Westen den Ausblick in die Landschaft. Nach Norden verhindern geschlossene Fassadenelemente aus Lärchenholz, dass sich der Rundbau zu sehr aufheizt.

Zum Lüften müssen die Fenstertüren geöffnet werden. Ebenso ist auch die zentrale Lichtkuppel ausklappbar, um mehr Durchzug zu ermöglichen. Starre Aluminiumlamellen an der Außenfassade dienen als Sonnenschutz. Auf elektronisch gesteuerte Belüftungsmechanismen wurde bewusst verzichtet. "Das war der Wunsch des Bauherrn", sagt Klein. Es sollte einfach zu handhaben sein. Je mehr Technik es gibt, desto leichter kann etwas kaputt gehen."

Von-Rothmund-Schule

Hell, einfach und geradlinig sollte der Neubau der Von-Rothmund-Förderschule an der Bairawieser Straße werden. Das war die Grundintention des Teams um Simon Winter vom Büro Köhler Architekten und beratende Ingenieure GmbH. So lassen die großzügigen Fensterflächen des lang gestreckten Baus viel Licht in die Klassenräume. Die Pausenhalle erhält durch ein eingebautes Oberlicht zusätzliche Helligkeit. Auf jedes Klassenzimmer folgt ein Gruppenraum mit jeweils transparenten Wänden zum Flur im Erdgeschoss des 68 Meter langen Hauses.

Der rechteckige Bau in Hanglage ist auf zwei Ebenen konzipiert. Das Erdgeschoss öffnet sich zum Hof mit dem früheren Prinz-Luitpold-Genesungsheim im Norden, dem früheren Standort der Schule. Von dort können die Schüler barrierefrei auf die untere, tiefer am Hang liegende Ebene gelangen. Mit Lärchenholz wurde das Haus in Betonbauweise verschalt. Auf der oberen Ebene läuft ein Balkon um das ganze Gebäude herum. "Wir haben die regionale Bauweise modern interpretiert", sagt Winter. Das Haus musste auch deshalb lang und flach gestreckt geplant werden, weil das historische Prinz-Luitpold-Genesungsheim noch von der Bairawieser Straße aus zu sehen sein sollte.

Im Inneren des neuen Schulhauses hat das Architektenteam zudem ein auf die Schüler eigens zugeschnittenes Farbkonzept umgesetzt. Erika Mühlthaler setzte es um. Im Boden eingelegte Intarsien in Pfeilform verdeutlichen die Wegeführung. Das Flachdach des Baus wurde begrünt, auch damit das Wasser langsamer versickert. Landschaftsarchitekt Horst Kübert gestaltete die Außenflächen.

Realschule mit Heizwerk

Wer sich dem Erweiterungsbau der Tölzer Realschule von Osten her nähert, scheint auf einen Pavillon zuzugehen. Gleichzeitig steigt der Flaneur dem in den Hang eingegrabenen Blockheizkraftwerk gleichsam auf das Dach, wenn er über den Vorplatz geht. Die fünf Geschosse des Gebäudes erschließen sich in voller Größe nur von der Westseite. Große Lochfenster dominieren diesen Teil der Fassade, der turmartig nach oben ragt.

"Wir wollten einen monolithischen Baukörper, der wie ein Fels im Hang steht", sagt Thomas Baldauf vom Büro Baldauf Prill Architekten aus Schongau. Diesen Eindruck verstärkt die rote Klinkerfassade. Diese bringe dem Gebäude eine reiche Farbigkeit und lege sich wie eine Textur um das Haus. Zudem sei eine Klinkerfassade wesentlich wartungsärmer als etwa mit Putz verkleidete Alternativen.

Auf der untersten Ebene des Hauses auf Niveau des neu entstandenen Allwetterplatzes hat das Architektenteam einen Multifunktionsraum einschließlich Bühne für kleine Veranstaltungen und Theateraufführungen integriert. Nach Westen habe dieses Geschoss großflächig verglaste Flächen. Alle Geschosse des Erweiterungsbaus sind durch Aufzüge und Treppen vom Foyer direkt hinter dem Eingang auf Straßenniveau erreichbar. Durch das in den Hang geschobene Heizwerk habe das neue Schulgebäude weiter nach Westen verschoben werden können. Dadurch waren die Übergänge in das bestehende Realschulgebäude leichter zu realisieren. Die Übergänge wurden mit gitterartigem Streckmetall auch als Absturzschutz verkleidet. Das mit Hackschnitzeln betriebene Heizwerk kann sieben Schulen sowie ein Wohngebäude mit Wärme versorgen.

Die schützenswerten Magerwiesen am steilen Hang wurden erhalten. Die oberste Humusschicht musste während des Baus laut Baldauf abgetragen und nachher wieder aufgetragen werden. So blieb der wertvolle Blumenbestand erhalten. Über Drainagen wird das Schichtenwasser den Hang hinab und vom Gebäude fern gehalten. Damit das Wasser nicht zu schnell in die Regenkanalisation abfließt, hat der Ickinger Landschaftsarchitekt Wolfgang Färber unter anderem eine tiefer in den Boden reichende Stützmauer integriert. Diese kann auch als Sitzgelegenheit genutzt werden. In Mulden kann sich Wasser sammeln.

© SZ vom 02.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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