Barrierefreiheit:Hohe Hürden in der Altstadt

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Für körperbehinderte Kunden ist es in der Wolfratshauser Marktstraße schwierig, über die Stufen in die Geschäfte zu gelangen. Wenn ein Umbau nicht erlaubt oder zu teuer ist, helfen die Verkäufer.

Julia Abendschön

Probleme haben Behinderte und Mütter mit Kinderwagen, in die Läden am Obermarkt 10 zu gelangen. Auch andere Geschäfte sind betroffen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die historische Altstadt ist die Schokoladenseite von Wolfratshausen. Der Charme der Häuser hat aber auch eine Kehrseite: Die mehrstufigen Eingangsbereiche der meisten Läden im Ober- und Untermarkt stellen für viele Kunden ein schwer überwindliches Hindernis dar. Vor allem betagte Personen, Menschen mit Behinderung und Mütter mit ihren Buggys stehen vor dem Problem, wie sie in einen Laden gelangen sollen. "Auch mit dem Gehwagen ist man sehr eingeschränkt", sagt die 79-jährige Marianne Coburg, obwohl sie selbst noch sehr agil unterwegs ist. Und mit dem Rollstuhl hier einkaufen zu gehen, das sei ganz unmöglich.

Weil die Marktstraße unter Ensembleschutz steht, sei ein Absenken des Erdgeschosses bei diesen Häusern aus Gründen des Denkmalerhalts nicht möglich, erklärt Hans-Werner Kuhlmann, der Vorsitzende des Vereins Lebendige Altstadt Wolfratshausen. "Bei einer so alten Stadt ist es schwierig, der Modernität Rechnung zu tragen". Bei Umbaumaßnahmen achte man aber dort, wo es möglich ist, auf die Barrierefreiheit, wie bei der Buchhandlung Rupprecht oder dem Kleiderladen Ernsting's Family im alten Vermessungsamt zu sehen sei.

Martina Hohnheiser, die Seniorenbeauftragte der Stadt, sieht die Barrieren ebenfalls als Problem. Es zeichne sich aber der Trend zu einer wachsenden Hilfsbereitschaft ab. Angestellte der schwer zugänglichen Läden seien besonders zuvorkommend. Vor allem beim Drogeriemarkt Müller sei dies der Fall. Aufgrund der "schnellen Bereitschaft der Mitarbeiter" könne Kunden immer geholfen werden.

Diese Erfahrung hat auch Kinderpflegerin Monika Grunow gemacht, die mit ihrem Enkel im Kinderwagen gerade einkaufen geht: "Grundsätzlich geht es." Speziell bei Müller sei man allerdings schon sehr gehandicapt. "Das Personal ist aber sehr freundlich und hilft einem gerne", betont die 57-Jährige. Die stellvertretende Filialleitung der Drogerie bestätigt, dass das Problem bekannt ist. "Es ist nicht einfach, aber irgendwie geht es immer."

Nachdem vor mehr als zehn Jahren eine Rampe aus Sicherheitsgründen wieder abmontiert wurde, biete sich für die Filiale am Obermarkt keine bauliche Alternative zu den Stufen am Eingang. Ähnlich stellt sich die Situation in der Hofpfisterei im Untermarkt 17 dar, wenngleich die Stufen hier nicht nach oben, sondern nach unten führen. "Vor allem für Mütter mit Kinderwagen ist es sehr schwer, hier reinzukommen", weiß Mitarbeiterin Susanne Zschaeck aus Erfahrung.

"Der Kunde ist König." Das betont Peter Ley, Vorsitzender des Vereins Werbekreis Einkaufsstadt Wolfratshausen. Jeder Ladenbesitzer der Marktstraße bemühe sich, einen bequemen und ebenerdigen Zugang zu den Geschäften zu gewährleisten. Doch auch er beklagt: Umbaumaßnahmen seien oft nicht möglich und gegebenenfalls sehr kostspielig. Christian von Stülpnagel von der Unternehmensvereinigung Wirtschaftsraum Wolfratshausen (UWW) fordert trotzdem mehr Komfort für Kunden. Wegen der Konkurrenz im Internet müsse die Einkaufsmöglichkeit vor Ort hochwertig und vielfältig sein und regelrecht als "Shopping- und Sightseeingparadies" dienen.

Von Stülpnagel wünscht sich außerdem ein Einkaufsparadies nach dem Prinzip "Shop in Shop" im Gebäude des ehemaligen Isarkaufhauses. Durch Markenqualität und Barrierefreiheit könne so ein "erfolgreicher Magnet für die Stadt Wolfratshausen vor den Toren Münchens" geschaffen werden, meint er. Alle neuen Baumaßnahmen müssten behindertengerecht geplant werden, damit man jedem Kunden ein Höchstmaß an Einkaufskomfort bieten könne.

© SZ vom 04.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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