Barock in Schäftlarn:Gefeierter Dauerbrenner

Lesezeit: 2 min

Flüssige Tempi, lebendige Tonmalereien: Philipp Amelung und das Barockorchester "La Banda" begeistern mit Vivaldi beim Ickinger Konzertzyklus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Musik von Vivaldi beim Ickinger Konzertzyklus

Von Reinhard Szyszka, Schäftlarn

Diesmal also Barock. Der antichronologische Weg des diesjährigen Ickinger Konzertzyklus war vor drei Wochen mit Opernarien gestartet und wird in vierzehn Tagen mit einem feierlichen Requiem im Renaissance-Stil zu Ende gehen. Alles unter der Überschrift "Italien". Und obwohl es in der Barockzeit eine Vielzahl italienischer Komponisten gab, konzentrierte sich das Programm auf einen einzigen davon: Antonio Vivaldi. Die katholische Kirche St. Benedikt in Ebenhausen war sehr gut besucht.

Am Anfang gab es Verwirrung. Zwei Vivaldi-Stücke, eine Sinfonia und eine Sonata, waren angekündigt, beide mit dem Untertitel "al Santo Sepolcro", also "zum Heiligen Grab". Das Programmheft, das die bekanntesten Werke des Abends ausführlich erläuterte, schwieg sich zu diesen zwei Grab-Stücken aus. So kam es, wie es kommen musste: Philipp Amelung trat auf, verbeugte sich und begann zu dirigieren. Beim zweiten Stück waren die Zuhörer verwirrt: Ist das jetzt schon die Sonata? Oder noch ein Satz aus der Sinfonia? Daher gab es am Ende auch keinen Applaus, nicht einmal, als einige Orchestermusiker ihre Position wechselten und Amelung nach draußen ging, um den Sänger abzuholen.

Immerhin hatten die beiden Einleitungswerke dem Barockorchester La Banda Gelegenheit gegeben, seinen Klang vorzustellen. Das Orchester pflegt ja ein weites Repertoire und war schon oft in St. Benedikt zu Gast. Diesmal präsentierte sich La Banda als ein barockes Originalklang-Ensemble reinsten Wassers. Das bewährte sich sogleich bei Vivaldis Psalmvertonung "Nisi dominus", dem nächsten Werk des Abends. Countertenor Christian Rohrbach war der Sänger. Mit angenehmer, kräftiger, ebenso höhen- wie koloratursicherer Altus-Stimme gestaltete er das Werk. Der verhältnismäßig leise, aber doch tragende Barockklang bewirkte eine perfekte Mischung zwischen Sänger und Orchester. Rohrbach und Amelung verstanden sich blind, auch bei gelegentlichen Tempowechseln mitten im Satz. Diesmal gab es lebhaften, begeisterten Applaus.

Doch das Hauptwerk des Abends stand erst jetzt auf dem Programm: Vivaldis "Vier Jahreszeiten", der ebenso populäre wie unverwüstliche Barock-Dauerbrenner. Rachel Harris, die Konzertmeisterin von La Banda, war die Violinsolistin. Und hatte man sich zuvor noch über ihren roten Umhang gewundert, so passte dieser jetzt hervorragend zur Musik, stellt doch die Solovioline in vielen Sätzen den Hirten dar. Harris verkörperte glaubwürdig den Hirten, nicht nur musikalisch, sondern auch dezent schauspielerisch.

Vom ersten Ton an war klar, wohin die Reise geht. Amelung wählte gute, flüssige Tempi, wie sie das Werk braucht. Die vielen Tonmalereien in Vivaldis Partitur - der Vogelgesang, das Hundegebell, um nur einige zu nennen - waren deutlich, aber nicht schulmeisterhaft-überdeutlich herausgearbeitet. Der differenzierte, farbige Orchesterklang bot einen perfekt abgestimmten Hintergrund für die Sologeige. Doch das Beste war die Solistin:. Mit sichtlicher Freude am Spiel und an der Musik gestaltete, ja lebte Harris ihren Part. Sie bewältigte die anspruchsvollsten Passagen der Partitur mit freundlichem Lächeln, drehte sich mal nach links zu Amelung, mal nach rechts zu ihren Streicherkollegen und konnte ihren Geigenklang strahlend über das Orchester erheben, aber auch mit dem Orchester verschmelzen lassen, je nachdem, was gerade gefragt war.

Amelung und Harris lieferten eine geradezu mustergültige Interpretation des bekannten Zyklus. Der Kopfsatz des "Sommer"-Concertos war so mitreißend gestaltet, dass es vereinzelte Bravo-Rufe und Spontanapplaus gab. Das Sommergewitter, das Weinfest, die Jagd - die Künstler brachten jeden Satz mit gerade so viel Lautmalerei wie nötig, so dass kein Effekt von Vivaldi verloren ging. Der bibbernde Beginn des "Winter"-Concertos entsprach natürlich am ehesten den Außentemperaturen, gefolgt von einem angenehm-wohligen Kaminzimmer im mittleren "Winter"-Satz; dann spielte die Musik wieder mit Eisesglätte und Nordwinden.

Begeisterter Applaus am Ende. Amelung gönnte erst seiner Solistin den Beifall. Nach ein paar Verbeugungsrunden sah es dann so aus, als würden einige Orchesterleute Noten für eine Zugabe auf ihre Pulte legen, so dass die Konzertbesucher besonders hartnäckig weiterklatschten. Doch das erwies sich als eine Täuschung. Amelung und Harris erschienen ein letztes Mal, und ohne Zugabe ging das Konzert zu Ende.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: