SZ-Adventskalender:Was fehlt, ist ein Kleiderschrank

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Der Rentner Heinz D. baut seine Möbel gerne selbst - hat aber kein Geld für das Holz.

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Keine Schulden, keine Ratenzahlungen, alles, was ich zum Leben brauche, habe ich", sagt Heinz D. (Name geändert). Mit großer Disziplin und geringem Anspruch meistert er sein Leben, bei dem eine ganz kleine Rente keine großen Sprünge erlaubt. Heinz D. hat sich eingerichtet in seinem Leben, das er mit weniger als 800 Euro im Monat Rente führt.

Der Betrag muss reichen für Miete, Nebenkosten, Versicherungen und täglichen Lebensunterhalt. Ein Auto leistet sich der Rentner nicht, genauso wenig wie einen Computer, ein Handy, einen DVD-Player oder andere Geräte, die für andere zum Alltag gehören, für Heinz D. aber purer Luxus sind. Nicht einmal 800 Euro am Ende eines langen Arbeitslebens zur Verfügung zu haben, das bedeutet täglicher Verzicht und Disziplin. Und das, obwohl er sein Leben lang gearbeitet hat: Fleißig, zuverlässig, fachmännisch und korrekt.

Gebürtig ist der heute 68-Jährige in Hannover. Dort lernte er den Beruf des Werkzeugmachers. Doch die Arbeitsstellen in Niedersachsen waren rar, "zumal VW damals auch viele Leute entlassen hat und der Arbeitsmarkt umkämpft war", erinnert sich Heinz D. Deshalb folgte er einem Ruf des Roten Kreuzes nach Bayern, das damals Handwerker für den Aufbau seiner Altenheime suchten. Vor fast genau 30 Jahren verließ er seine Heimat und "blieb hängen, ganz klassisch", sagt er.

Beruflich habe sich alles erst einmal gut angelassen: Sein Fleiß und seine Genauigkeit bei der Arbeit seien geschätzt worden von Firmen, die zur damaligen Zeit händeringend Fräser und Werkzeugmacher suchten.

Doch dann kam der Tag, an dem ein Arbeitsunfall alles ändern sollte: Ein schweres Gerät zertrümmerte ihm den Zeh. Weil seinem Arbeitgeber die Rehabilitation zu lange dauerte, habe er ihn ausstellen wollen, berichtet D.. Vor Gericht endete der Streit mit einem Vergleich, drei Monate zahlte ihm der Arbeitgeber das Gehalt weiter. Doch danach stand Heinz D. vor dem Nichts: "Mit 55 Jahren, da bleibt man auf dem Arbeitsmarkt einfach auf der Strecke", sagt er. Alles mögliche habe er versucht, wieder tätig zu werden, sich zigmal beworben, doch erfolglos: "Das war die Zeit, in der immer mehr Firmen dicht machten, weil die Konjunktur schwächelte."

Er besuchte zwar auch Weiterbildungen und Seminare, "doch das war im Prinzip nur Beschäftigungsmaßnahme, weil es ja an meinem Alter nichts änderte." Weil ihm somit die letzten elf Jahre in seiner Erwerbsbiografie fehlen, fällt seine Rente nun so bescheiden aus. Doch Heinz D. hat sich damit eingerichtet. Die Möbel, die seine kleine Einzimmer-Wohnung gemütlich machen hat er selbst gezimmert. "Das mache ich gerne, ich habe ja ein Händchen für Handarbeiten und Werkzeug - und Zeit", sagt er. Ob Kommode, Schreibtisch oder den Gitarrenhalter: Alles selbst entworfen und gebaut, in stundenlanger Arbeit. Das beschäftigt nicht nur, es macht ihm auch Freude und gibt ihm das Gefühl, doch nicht zum alten Eisen zu gehören.

Jetzt fehlt in seinem Zuhause nur noch ein Kleiderschrank, den er sich selbst bauen würde, und dafür das passende Holz: "Ich habe mit einem Sägewerk gesprochen, aber das Bauholz würde mich etwa 400 Euro kosten". Zuviel, um es alleine zu stemmen. Doch ließe sich der Betrag auftreiben, wäre es nicht nur Hilfe zur Selbsthilfe, sondern auch ein großer Schub für Heinz Ds. Selbstwertgefühl.

© SZ vom 10.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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