Leben im Alter:Neugier erhalten

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Auch im Alter kann man mit neuen Medien lernen. (Foto: Ok Shu/IMAGO/Westend61)

Die Computersenioren Bad Tölz-Wolfratshausen plädieren für lebenslanges Lernen.

Von Arnold Zimprich, Bad Tölz

Der große Sitzungssaal des Landratsamts hat etwas von einem Uni-Hörsaal und bietet insofern das passende Ambiente für den Vortrag der Computersenioren Bad Tölz-Wolfratshausen. "Bleiben Sie neugierig - Lernen für Senioren" hat der Verein die Veranstaltung mit Referentin Susanne Lincke betitelt, die an der Hochschule Fresenius Psychologie studiert. Die Neugier ist vorhanden: Der Saal ist mit rund 40 Personen gut gefüllt.

Lincke, "selbst nicht mehr die Jüngste", wie sie sagt, geht das Thema mit reichlich Humor an, stellt aber auch gleich zu Beginn eine ganze Reihe Vorurteile in Frage. Viele das Alter betreffende Klischees hätten in die Alltagssprache Eingang gefunden und würden auch über das Fernsehen transportiert: Der liebe, aber oftmals auch naive und vergessliche Opa, die böse, alte Hexe im Märchen - diese Stereotype "funktionieren wie selbsterfüllende Prophezeiungen", warnt sie. Ältere Menschen würden so schnell abgestempelt.

Bis in die Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts sei in der Forschung gar die "Defizittheorie des Alters" en vogue gewesen und damit die Annahme, dass es ab dem 30. Lebensjahr kognitiv bergab gehe. Sogenannte Kohorteneffekte, dass also beispielsweise ein einziges Jahr darüber entscheidet, ob jemand den Zweiten Weltkrieg noch miterlebt hat oder andere Ereignisse die Persönlichkeitsstruktur maßgeblich geformt haben, seien dabei völlig außer Acht gelassen worden.

"Suchen Sie sich etwas aus, das Sie interessiert"

Viele alte Menschen würden zudem von Selbstzweifeln geplagt. "Lernen im Alter, geht das denn überhaupt noch?" Lincke unterscheidet zwischen "fluider" und "kristalliner Intelligenz". Erstere sei bei jüngeren Menschen formbar, die sich innerhalb kurzer Zeit Inhalte aneignen könnten, sagt sie. Senioren hingegen könnten auf ein über die Jahre aufgebautes, also "kristallines" Wissen zurückgreifen - ein großer Vorteil.

Unter Berufung auf mehrere Studien ermutigt die angehende Psychologin ihr Publikum. So führe regelmäßige geistige und körperliche Tätigkeit dazu, dass degenerative Erkrankungen wie Demenz weniger negative Auswirkungen hätten. "Suchen Sie sich etwas aus, was Sie interessiert, und beschäftigen Sie sich damit." Der Mensch werde als interessiertes Wesen geboren, man verliere aber im Rahmen eines langen Berufslebens oft das Interesse, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. "Es wird zur Gewohnheit, dem Interesse zu widerstehen." Doch auch im Alter könne man noch alles lernen, worauf man Lust habe. "Bleiben Sie neugierig", sagt Lincke.

Käufer wünscht sich eine neurologische Ambulanz im Landkreis

Der Vorsitzende der Computersenioren, Hans Lincke - mit der Referentin weder verwandt noch verschwägert -, freut sich über den regen Zulauf und erläutert nach dem Vortrag, was der Verein tut, um Senioren im Umgang mit Smartphone, Computer und Co. zu unterstützen. Hemmungen, bei Computerproblemen nachzufragen, hätten die Senioren eigentlich keine, berichtet er. "Wir haben aber festgestellt, dass sich die Menschen lieber zu Hause helfen lassen als zu einem für sie fremden Treffpunkt zu kommen." Kernaufgabe der Computersenioren seien daher Hausbesuche. Doch es gibt auch regelmäßige Zusammenkünfte wie den "Apple Stammtisch" und das "Digital Café". Die Computersenioren sind ein fest eingespieltes Team. Wolfgang Martin koordiniert im Vorstand die Anfragen, rund 15 sogenannte Instruktoren, darunter auch Lincke, kümmern sich anschließend persönlich um die jeweiligen Anliegen.

Nebenan hat Dieter Käufer vom 2015 gegründeten Kreisverband der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft seinen Stand aufgebaut, an dem er über Demenz und Hilfsangebote informiert. Auch bei diesem Thema solle man keine Hemmungen haben, rät Käufer. Viele Betroffene und Angehörige meldeten sich erst dann, wenn es bereits Probleme gebe. Derweil sei man im Landkreis in einer vergleichsweise komfortablen Situation, denn das Beratungsangebot sei umfassend.

Mit dem Tölzer Chefarzt Rüdiger Ilg "haben wir eine große Kapazität im Landkreis", sagt Käufer. Der Neurologe Ilg ist Ärztlicher Direktor an der Asklepios-Stadtklinik in Bad Tölz und arbeitete lange im Münchner Klinikum Rechts der Isar. Ein Angebot fehlt Käufer jedoch: "Eine neurologische Ambulanz bei uns im Landkreis wäre eine gute Sache", sagt er. "Die Wartezeit für akute Fälle ist einfach zu lang." Mit der geplanten Einrichtung eines Pflegestützpunkts werde immerhin bald ein großer Schritt unternommen, die Beratungssituation für pflegebedürftige Senioren und deren Angehörige zu verbessern.

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