Bad Tölz-Wolfratshausen:Erleichterung auf dem Wohnungsmarkt

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Im Landkreis mangelt es an Wohnungen. Deshalb sind die Mieten relativ hoch. Menschen mit geringem Einkommen haben Schwierigkeiten, sie zu bezahlen. Die Zuschüsse des Landratsamts steigen im Sommer. (Foto: Hartmut Pöstges)

Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger bekommen von Juni an höhere Zuschüsse zur Miete. Für den Wolfratshauser Stadtrat Hans Schmidt kommt die Anpassung zu spät. Er fordert Betroffene zur Klage auf.

Von Konstantin Kaip, Bad Tölz-Wolfratshausen

Der Kreisausschuss des Kreistags hat sich kürzlich für eine neue Richtlinie für die Obergrenze bei Mietzuschüssen ausgesprochen. Sie soll am 1. Juni in Kraft treten. Vor allem Bedürftige im Nordlandkreis profitieren davon: So kann ein Zwei-Personen-Haushalt nun bis zu 600 Euro im Monat für die Wohnung bekommen, bislang waren es 440 Euro. Mit der Erhöhung der Mietzuschüsse für Hartz IV- und Sozialhilfeempfänger hat das Landratsamt auf die schwierige Situation des Wohnungsmarkts im Landkreis reagiert. Viel zu spät, sagt der Wolfratshauser Stadtrat der Grünen, Hans Schmidt. "Allen war bewusst, dass im Nordlandkreis das Mietniveau seit Jahren deutlich angestiegen ist." Schmidt fordert daher alle betroffenen Haushalte auf, die zu viel gezahlten Mietkosten einzuklagen.

Bereits vor mehr als einem Jahr hätten die Wolfratshauser Grünen Landrat Josef Niedermaier (FW) aufgefordert, die Obergrenze für Mietzuschüsse für Menschen zu überprüfen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, sagt Schmidt. Nicht nur die Leiterin der Wolfratshauser Obdachlosenhilfe, Ines Lobenstein, weise seit Jahren darauf hin, wie schwierig es für Bedürftige sei, eine bezahlbare Wohnung zu finden. "Von Betroffenen wurde uns ganz klar signalisiert, dass im Nordlandkreis für 400 Euro keine Wohnung zu haben ist", sagt Schmidt. Auf ihren "Brandbrief" hätten die Grünen aber nie eine Antwort erhalten, weder vom Landrat noch vom zuständigen Kreissozialamtsleiter Thomas Bigl.

Nun hat das Landratsamt ein externes Büro beauftragt, den Wohnungsbestand zu erheben. Das Ergebnis ist, dass die Mietobergrenzen nicht mehr einheitlich behandelt werden. Stattdessen wird der Landkreis in drei Zonen eingeteilt. In der Zone Nordwest, die neben Wolfratshausen und Geretsried auch Münsing und Icking umfasst, sind die Auswirkungen am deutlichsten: Dort liegt die Steigerung bei 36 Prozent. Das Ergebnis der Studie mache "das ganze Ausmaß der Ausnutzung der Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen waren, sichtbar", erklärt Schmidt. Dass der "reiche Landkreis" die Obergrenze seit 2009 nicht angepasst und so jahrelang Geld auf Kosten der Bedürftigsten gespart habe, sei "schlicht ein Skandal".

Rechne man mit den Durchschnittswerten, kalkuliert Schmidt, so habe jeder der betroffenen Haushalte in der neuen Nordwest-Zone seit 2009 "satte 7630 Euro zu viel gezahlt". Eine Summe, die jedem rechtlich zustehe, findet der Stadtrat. Das festzustellen "wäre Aufgabe des Landkreises gewesen". Weil das aber nicht geschehen sei, fordert Schmidt nun alle Betroffenen auf, die Ansprüche "rechtlich zu klären".

Im Landratsamt sieht man das anders. "Wir sind eine Behörde und vollziehen den gesetzlichen Auftrag", sagt Thomas Bigl, Sachgebietsleiter für Sozialwesen. Jeder, der einen Antrag auf Mietzuschuss gestellt habe, habe einen Bewilligungs- oder Ablehnungsbescheid erhalten - mit Begründung und Rechtsbelehrung, in der auch auf die Möglichkeiten zu Widerruf und Klage hingewiesen werde. "Wer unzufrieden war, hat das auch einklagen können", sagt Bigl. In Einzelfällen sei dies geschehen, mit unterschiedlichen Ergebnissen.

Laut Bigl beziehen mehr als 3000 Personen im Landkreis Hartz IV oder Grundsicherung. Weil manche von ihnen in einem Eigenheim wohnten, bekämen nicht alle einen Mietkostenzuschuss. Zwar wirkten die bisherigen Sätze für Zuschüsse in Wolfratshausen "relativ niedrig", sagt Bigl. "Aber es geht nicht darum, wie sie wirken, sondern was man für praktische Erfahrungen im Landkreis gemacht hat." Viele Betroffene, sagt Bigl, hätten in Abstimmung mit dem Jobcenter trotz schwieriger Suche auch mit den bestehenden Zuschüssen eine Wohnung gefunden. Die nun erfolgte Anpassung so zu betrachten, "als wäre ihnen Geld vorenthalten worden, ist selbst für ein Milchmädchen beschämend", sagt er in Hinblick auf Schmidts Kalkulation.

Dass das Landratsamt die Obergrenze nun angepasst habe, hänge vor allem mit der Zeitspanne seit der letzten Festlegung zusammen, sagt Bigl. Die Kaltmieten seien gestiegen, auch wenn von einer "Explosion" vor allem in Bezug auf den Altbestand nicht die Rede sein könne. Die Obergrenze, die bislang von der Jachenau bis Münsing gegolten habe, sei nun für drei Vergleichsräume unterschiedlich festgelegt worden - nach den Kriterien eines Urteils des Bundessozialgerichts. Die Vergleichsräume müssten bestimmte Anforderungen erfüllen, etwa 500 vergleichbare Angebote mit einer Preisabweichung von weniger als einem Euro pro Quadratmeter. In Icking und Münsing sei das freilich nicht möglich gewesen, weil es dort "praktisch kein Angebot" an Mietwohnungen gebe. Deshalb habe man die Gemeinden dem "teuren Nordwesten" zugeschlagen. "Die Grünen glauben wohl, dass sowohl die Standardsätze bei Hartz IV als auch die Obergrenze für Mietzuschüsse nach Gefühl festgelegt werden", sagt Bigl. Die Bestandserhebung gleiche aber einer "wissenschaftlichen Arbeit", zumal es im Landkreis nirgends einen Mietspiegel gebe.

Dennoch räumt Bigl ein, dass die Anpassung der Mietzuschüsse wohl früher erfolgt wäre, wenn die "große Aufgabe" der Unterbringung von Asylbewerbern seine Behörde nicht so viel Zeit und Arbeitskraft gekostet hätte. Er gehe davon aus, dass der Zeitraum bis zur nächsten Überprüfung kürzer sein werde. Schmidts Kalkulation halte er dennoch für "arg fiktiv", weil sie die bisherige und die neue Obergrenze miteinander verrechne. Die sei aber nur die maximal mögliche Auszahlung und eben kein Regelsatz wie etwa Hartz IV. Schmidt hält indes das Wort Obergrenze ohnehin für "euphemistisch", wie er sagt: "Alle brauchen die Obergrenze im Nordlandkreis. Wer für 600 Euro eine Wohnung für zwei findet, kann froh sein."

© SZ vom 03.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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