Bad Tölz-Wolfratshausen:Corona-Fälle erreichen Rekordhoch

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Im Landkreis gibt es so viele Ansteckungen wie noch nie seit Ausbruch der Pandemie. Im Gesundheitsamt kommt man mit der Verfolgung der Fälle deshalb nicht hinterher. In den Kliniken gibt man sich trotzdem noch gelassen.

Von Kathrin Müller-Lancé, Bad Tölz-Wolfratshausen

Auch wenn die inzwischen wieder geöffneten und gut besuchten Konzertsäle, Cafés und Clubs einen anderen Eindruck erwecken mögen: Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei. In den vergangenen Tagen ist die Sieben-Tage-Inzidenz im Landkreis immer weiter gestiegen, am Donnerstag kletterte sie auf 182,5. Am Vortag hatte sie noch bei 144,3 gelegen. Die hohe Ansteckungsrate stellt das Tölzer Gesundheitsamt vor Probleme: Die Behörde kommt mit dem Bearbeiten der Fälle nicht mehr hinterher, sodass Kontaktpersonen oft lange auf E-Mails und Anrufe warten müssen. Der Stau sorgt auch dafür, dass es das Gesundheitsamt nicht schafft, alle von den Laboren gemeldeten positiven Fälle rechtzeitig zu prüfen und dem Robert-Koch-Institut (RKI) weiterzuleiten. Das heißt: Der eigentliche Inzidenzwert im Landkreis dürfte noch höher liegen als der, den das RKI ausweist.

"Die Situation ist angespannt", sagt Marlis Peischer, die Sprecherin des Landratsamts. Inzwischen habe es das Gesundheitsamt aber immerhin geschafft, etwas von dem Stau abzuarbeiten. Bis Mittwoch hatten die Labore der Behörde 479 positive Fälle gemeldet, nur 321 Fälle davon konnten bearbeitet und ans RKI weitergeleitet werden. Mehr als 150 positive Fälle konnten zunächst also nicht näher geprüft werden. Von diesem Berg an noch offenen Fällen war am Donnerstag dann zumindest ein Teil schon wieder abgearbeitet. Da meldete das Landratsamt 378 erwiesene Ansteckungen - ungeprüft blieben also noch knapp 80 Fälle.

"Ich würde da aber nicht von einer Dunkelziffer sprechen", sagt Peischer, "die positiven Fälle sind ja durchaus erkannt und gehen nicht verloren." Dass viele Fälle unbearbeitet sind, heißt aber auch, dass viele Personen aus dem Umfeld von Infizierten noch nicht kontaktiert werden konnten und im schlimmsten Fall weitere Personen anstecken. "Deshalb ist es umso wichtiger, dass Leute, die positiv getestet worden sind, selbst Verantwortung übernehmen und ihr Umfeld informieren", sagt Peischer. Auf externe Unterstützung, zum Beispiel durch die Bundeswehr, kann das überlastete Gesundheitsamt nämlich erst einmal nicht hoffen: Die bekommt die Behörde laut Peischer nur im Katastrophenfall, "und davon sind wir zum Glück himmelweit entfernt". Man versuche nun, im Gesundheitsamt alle Kräfte auf die Fallbearbeitung zu konzentrieren.

Für den steten Anstieg der Inzidenz im Landkreis gibt es mehrere mögliche Erklärungen: Zum einen die Corona-Ausbrüche in größeren Einrichtungen. Nach einem Ausbruch an der Realschule in Geretsried sind mittlerweile 17 Corona-Fälle bekannt, in Seniorenheimen in Bad Tölz und Geretsried steckten sich zuletzt mehrere Dutzend Menschen an, nach einem weiteren Todesfall am Donnerstag sind im Zusammenhang mit dem Ausbruch dort nun inzwischen sechs Menschen verstorben. Behördensprecherin Peischer sieht auch die Lockerung der Corona-Maßnahmen als möglichen Grund für die steigende Inzidenz: "Es ist relativ viel wieder möglich, die Leute bewegen sich wieder mehr und haben mehr Kontakt." Außerdem verweist sie auf die Impfquote, "die immer noch nicht so hoch ist, wie sie sein müsste". Aktuell liegt sie im Landkreis bei 56,3 Prozent.

Bleibt die Frage, wie alarmiert man angesichts des Anstiegs der Fallzahlen sein muss. In Bayern richten sich die Maßnahmen schließlich nicht mehr nach der Sieben-Tage-Inzidenz pro Landkreis, sondern nach der landesweiten Anzahl der Corona-Infizierten, die innerhalb von sieben Tagen in Krankenhäuser gebracht wurden - und nach der Belegung der Intensivbetten durch Corona-Patienten. Noch steht die sogenannte Krankenhausampel in Bayern auf Grün.

Von den 378 Infizierten im Landkreis, die dem RKI bis Donnerstag gemeldet waren, liegen 14 im Krankenhaus, zwei davon auf der Intensivstation. "Wir sind angespannt, aber noch nicht in Sorge", sagt Martin Dotzer, der ärztliche Koordinator für die Landkreise Bad Tölz-Wolfratshausen, Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen. Wegen des andauernden Personalmangels seien die Krankenhäuser in der Region zwar ausgelastet. Noch bestehe aber kein Grund zur Panik.

In den drei Landkreisen sind laut Dotzer aktuell neun Prozent der Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt, etwas weniger als im oberbayerischen Durchschnitt. In ganz Oberbayern liegen auf 13 Prozent der Intensivbetten Covid-Erkrankte. Man habe bisher noch keine Operationen wegen Corona-Patienten verschieben müssen. Verglichen mit den vorherigen Wellen sei die Zahl der Corona-Intensivpatienten in der Region nach wie vor gering. "Sie steigt vielleicht etwas an, aber nicht exponentiell. Ich würde nicht sagen, dass ab morgen gar nichts mehr geht." Unterschiede zwischen den einzelnen Landkreisen sieht Dotzer nicht. Die Kliniken seien alle in ähnlichem Maße belegt.

Dass die Politik bei der Bewertung der pandemischen Lage mehr auf die Krankenhäuser achtet, findet Dotzer sinnvoll. Die reinen Infektionszahlen hätten schließlich nichts mit der Auslastung der Kliniken zu tun. "Wer mit Corona infiziert ist, aber zu Hause bleiben kann, belastet das Gesundheitssystem nicht."

Für den Mediziner ist die Impfung nach wie vor das beste Mittel, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu behalten. Fast alle der Covid-Patienten auf den Intensivstationen in den Kliniken in seinem Zuständigkeitsbereich hätten keinen vollen Impfschutz. "Ich beobachte nur eine sehr geringe Zahl von Impfdurchbrüchen", sagt Dotzer.

© SZ vom 15.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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