Bad Tölz:Rilkes Verse als Lieder

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Lou Andreas-Salomé (rechts) mit Rainer Maria Rilke (2. von links) in einer Laube in Wolfratshausen. (Foto: Scherl/SZ)

Der Rezitator und Musiker Oliver Steller kommt mit seinem Programm "Zwischen den Sternen" in die Loisachhalle. Begleitet wird er von Bassist Dietmar Fuhr und Saxofonist Bernd Winterschladen

Von Hannah Fischer, Wolfratshausen

Der Lyriker Rainer Maria Rilke, einer der herausragenden Dichter des 20. Jahrhunderts, hielt sich in seinem rastlosen Leben für einige schöne Momente in Wolfratshausen auf. Frisch verliebt verbrachte er den Sommer 1897 mit Lou Andreas-Salomé im Lutzhäuschen. Noch heute befindet sich das kleine Anwesen oberhalb der Stadtpfarrkirche St. Andreas am Wolfratshauser Berg. Oliver Steller holt Rilke am Donnerstag, 1. Oktober, in einer Lesung mit musikalischer Begleitung zurück nach Wolfratshausen.

"Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn, wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören." So beginnt das Gedicht, das Rilke in jenem Sommer seiner Geliebten Lou Andreas-Salomé im Lutzhäuschen in ihr Zimmer legte. Es ist ein Liebesgedicht, das Oliver Steller in seinem Rilke-Programm "Zwischen den Sternen" vor dem Publikum in der Loisachhalle nicht etwa rezitieren, sondern singen wird. Etwa 20 bis 25 Gedichte von Rilke wird er in Wolfratshausen vortragen: einige in Liedform, andere frei rezitiert. "Das Liebesgedicht ist wunderschön", sagt Steller. Schon seit sehr langer Zeit spiele er es. Auf I-Tunes rangiere es unter den Top Fünf seiner meistgekauften Songs.

Zu Rainer Maria Rilke hat der Künstler eine ganz persönliche Verbindung: "Mit ihm konnte ich den Tod meines Vaters überwinden." Mit seinem Bruder und seinem Vater reiste Steller nach Irland. Da das Wetter dort bekanntlich sehr wechselhaft ist, seien sie in einen Platzregen gekommen, erzählt er. Alle hätten sich in die Hauseingänge geflüchtet. Spontan habe der Vater einen Vers aus Rilkes Gedicht "Herbsttag" herausgegriffen und gesagt: "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr." Danach habe er sich lange Zeit mit seinem Vater über den Dichter unterhalten. Kurz nach dem Urlaub starb Stellers Vater. "Eigentlich wollte ich gar kein Programm mehr machen, weil mich der Tod meines Vaters sehr mitgenommen hatte", sagt er. Doch Rilke, der sich in seinen Gedichten häufig mit dem Tod auseinandersetzte, habe ihm geholfen. Und so sei auch das neue Programm "Zwischen den Sternen" entstanden. Steller will damit die Leute dazu bringen, Lyrik wieder zu mögen. "An das Thema Lyrik wird immer so intellektuell herangegangen. Ich möchte es auf eine unterhaltsame Art und Weise tun", sagt er. "Bei den Leuten sollen beim Wort Gedicht grüne und keine roten Lampen angehen." Die Schule hatte ihm zu Anfang die Lyrik verdorben: In der dritten Klasse musste er das Gedicht "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" von Theodor Fontane aufsagen. Da er nur herumgestottert habe, sei er von seinen Klassenkameraden ausgelacht worden und habe eine schlechte Note bekommen. "Für mich war das Thema Gedicht damit erst einmal erledigt", erzählt Steller. Nach seiner Schulzeit sei seine Begeisterung für Lyrik wieder gewachsen. Heute sei der Umgang mit Gedichten in der Schule lockerer, was er schön finde.

Auch der Rezitator und Musiker will die Lyrik locker behandeln. Das Schönste sei für ihn, wenn Zuhörer nach seinem Auftritt zu ihm kämen und von einem Buch von Rilke oder Tucholsky erzählten, das sie besäßen und das sie sich unbedingt einmal wieder ansehen müssten.

Die Lesung mit musikalischer Begleitung findet am Donnerstag, 1. Oktober, im Foyer der Loisachhalle Wolfratshausen statt. Beginn ist um 20 Uhr. Der Eintritt kostet 18 Euro, ermäßigt zwölf Euro. Karten gibt es über München Ticket.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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