All die schönen Kleider, der Glanz, die Krönchen! Einmal im Jahr, immer im Februar, saß die Familie Zürner vor dem Fernseher und schmachtete. Beobachtete Prominente, die sich auf einem beheizten roten Teppich im Blitzlicht sonnten, reiche Menschen, die in Opernlogen Champagner tranken, und strahlende junge Damen in weißen Kleidern, die von Tanzpartnern im Frack im Linkswalzer durch den Saal geführt wurden. Einmal im Glamourlicht des Wiener Opernballs stehen und sich wie eine Prinzessin fühlen - Bianca Zürner, damals 17, mit den Bildern vom Ball seit der Kindheit vertraut, wollte irgendwann nicht mehr nur träumen. Sie wollte debütieren.
Ein Debüt, so beschreibt es der Duden, ist "der erste öffentliche Auftritt" etwa eines Künstlers. Früher verstand man darunter "die erste Vorstellung bei Hofe": Heiratsfähige Mädchen wurden der adeligen Gesellschaft präsentiert. Noch heute wird das mancherorts so praktiziert - der Wiener Opernball erinnert an diese Tradition, pflegt sie sogar weiter. Zürner jedenfalls verfasste einen Brief an das Opernballbüro, ernannte ihren Bruder Michael zum Tanzpartner ("Er hatte gar keine Wahl"), legte ein Foto bei und schickte den Brief ab. Ein paar Monate später lag die Absage im Briefkasten. 2011 versuchte sie es noch einmal - nichts. Einen letzten Versuch unternahm sie August 2012: Bruder Michael war bereits 24, die Obergrenze für Bewerbungen. Im November der Aufschrei: Die Geschwister aus dem oberfränkischen Hohenberg an der Eger, Bianca Zürner, Studentin der Archäologie und Kunstgeschichte in Freiburg, und Michael Zürner, Krankenpfleger in Bad Tölz, durften debütieren. Zumindest auf dem Papier - das nebenbei dazu aufforderte, die Debütantenkarte zu "100 Euro in bar" im Opernbüro abzuholen. Und: Die Aufnahme sei nur jenen gesichert, die den Linkswalzer "perfekt" beherrschen. Und an allen Proben teilnehmen. Außerdem müsse die Kleidung den Vorschriften genügen. Für die legten Zürners bis Anfang Februar noch rund 1000 Euro auf den Tisch - pro Person.
Die Geschwister sind schon vor dem Ereignis um einen Betrag "im mittleren vierstelligen Bereich" leichter. Eine aufregende Nacht steht ihnen am heutigen Donnerstag bevor, die vor allem eines wird: anstrengend. Es besteht Anwesenheitspflicht für alle Debütanten bis zum Veranstaltungsende um fünf Uhr morgens - in Debütanten-Kleidung. Für Zürners jedoch nicht bei Champagner und Frankfurter Würstchen zu je knapp zehn Euro das Paar - das kann sich ja kein Mensch leisten, sagen die Geschwister. "Verpflegung, Stühle und Decken" dürfen mitgebracht und im Orgelsaal aufbewahrt werden. Ein Tisch in der Oper? Den gibt es für zwei Personen ab 360 Euro. Wahlweise gäbe es eine Loge für 18 500 Euro zu buchen.
Für die Zürners ist Dabeisein alles, wenn die Debütanten heute Abend in den Saal strömen. Er im Frack, sie in einem schneeweißen Kleid. Mit einem Swarovski-Krönchen auf dem Kopf, das sie behalten darf.