Bad Tölz:"Immer die falschen Berater"

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Das tragische Schicksal einer Bäuerin: Nach langen Querelen wird der Zwickerhof bei Bad Tölz samt seinen 94 Hektar Grund zwangsversteigert.

Klaus Schieder

Die Geschichte von Annelies Sappl und dem Zwickerhof in Bad Tölz gäbe Stoff für ein Drehbuch ab. Für eine Tragödie aus dem Voralpenland, die weit tiefer ginge als ein rustikales Bauerntheaterstück. "Das ist ein Drama", sagt der Tölzer Bürgermeister Josef Janker. Am Ende stünde eine von privaten Schicksalsschlägen gebeutelte Frau, die ihr Zuhause verliert, für das sie ein Leben lang gekämpft hat: eben den Zwickerhof. Das Anwesen mit etwa 94 Hektar Grund soll heute im Wolfratshauser Amtsgericht zwangsversteigert werden.

Wird zwangsversteigert: Der Zwickerhof von Bäuerin Anneliese Sappl. (Foto: Manfred Neubauer)

Ob der Hof samt Wald und Wiesen wirklich unter den Hammer kommt, ist noch fraglich. Dem Vernehmen nach will Rechtsanwalt Michael Köllner eine einstweilige Verfügung erwirken. Der Münchner Jurist beruft sich jedoch auf seine Schweigepflicht: "Dazu darf ich nichts sagen." Sicher ist Janker zufolge, dass die Stadt Bad Tölz an der Versteigerung nicht teilnimmt. Er blättert in einem Aktenordner mit Schreiben von Bürgern, die Hilfe für die Bäuerin fordern. 2003, sagt Janker, sei es schon einmal um das Thema Zwangsversteigerung gegangen.

Damals habe der Finanzausschuss beschlossen, dass sich die Kommune aus der Sache heraushalte. Nun sagten manche, die Stadt müsse "unbedingt die landwirtschaftliche Fläche kaufen", berichtet Janker. Aber dafür habe sie kein Geld. Sie könne auch nicht beliebig Baugrund ausweisen. "Wir sind nicht in einer Bananenrepublik", so der Rathauschef. Zudem müsste dafür der Flächennutzungsplan überarbeitet werden, in dem das Areal als landwirtschaftliche Fläche eingetragen sei. Und das Landratsamt, das eine solche Änderung genehmigen muss, würde darauf verweisen, dass die Stadt schon mehrere Gebiete als Bauerwartungsland eingetragen habe und erst mal diese bebauen solle.

"Vier Millionen allein für Schulden"

Das Drama begann 1977, als der Zwickerhof brannte. Das stattliche Anwesen, meint Janker, sei offenbar unterversichert gewesen. Die Zinslast der Kredite, die Sappl bei der Tölzer Raiffeisenbank aufnahm, türmten sich in den Jahren danach. 1982 stellte die Bäuerin einen Antrag auf gewerbliche Erschließung eines etwa 20000 Quadratmeter großes Waldgrundstücks im heutigen Gewerbegebiet Farchet. Die Stadt bot für den Kauf 50 Mark pro Quadratmeter an. Der damalige Preis für eine solche Fläche habe bei fünf Mark gelegen, sagt Janker. Die Kommune erschloss das Areal auf eigene Kosten und verkaufte es weiter für 165 Mark pro Quadratmeter.

Sappl fühlte sich über den Tisch gezogen und argumentierte, sie habe nicht ahnen können, dass dort ein Gewerbegebiet entstehe. Sie reichte Klage ein. Der Rechtsstreit, so Janker, sei "in allen Instanzen von der Stadt gewonnen worden". 1994 unterbreitete die Kommune der Bäuerin erneut ein Angebot: 5,5 Millionen Mark für das Grundstück, wobei der Landwirtin die Hofstelle geblieben wäre. Dies lehnte Sappl ab. "Vier Millionen hätte ich alleine für die Schulden benötigt", sagte sie damals der SZ. Als sich dann das ZDF in seiner Sendung Frontal auf die Seite der Bäuerin stellte, zog sich die Stadt von allen Verhandlungen mit ihr zurück.

2004 übernahm die Bankaktiengesellschaft Hamm faule Kredite der Raiffeisenbank München, darunter die Causa Zwickerhof. Die BAG beantragte nun auch die Zwangsversteigerung. Wer immer womöglich den Zuschlag erhält, dem sagt Janker schon jetzt: "Jeder, der es ersteigert, hat eine Landwirtschaft." Und nichts sonst. Sappls Geschichte nennt er "tragisch". Die Frau habe "immer die falschen Berater" gehabt.

© SZ vom 10.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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