Bad Tölz:Hilfe für missbrauchte Kinder

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An den Schulen herrscht beim Umgang mit dem Thema sexueller Missbrauch oftmals Verunsicherung. Deswegen plant Sozialpädagogin Claudia Koch ein Modellprojekt.

Felicitas Amler

Jede Schule im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sollte einen Ansprechpartner haben für Kinder, die sexuell missbraucht wurden. "Vielleicht ist das eine Vision", sagt Claudia Koch. Jedenfalls ist es eines von drei Zielen, welche die 46-jährige Sozialpädagogin mit dem von ihr initiierten Modellprojekt "Vernetzte Prävention" verfolgt. Das Kreisjugendamt, in dem Koch für Kinder- und Jugendschutz zuständig ist, arbeitet dazu mit "Fenestra" an der Katholischen Stiftungsfachhochschule Benediktbeuern zusammen. Fenestra ist eine Forschungsstelle zur Prävention von sexueller Gewalt an Mädchen und Jungen.

Immer weniger Kinder werden in Deutschland sexuell missbraucht, nach Meinung von Experten auch deshalb, weil die Opfer die Täter öfter anzeigen.  (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa )

Anlass zu Kochs Initiative war eine Aufforderung des Kultusministeriums an alle Schulen, Listen mit Ansprechpartnern zum Thema sexueller Missbrauch zu liefern. Da sei "hohe Verunsicherung und Überforderung der Schulen" zu spüren gewesen, berichtete Koch am Dienstag dem Jugendausschuss des Kreistags. Ihre Idee ist es nun, erstens ein Kooperationsteam im Landkreis zu bilden, das Vertrauensleute sowohl für Opfer bietet als auch für Mitarbeiter an Schulen und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen, die den Verdacht haben, dass ein Kind sexuell missbraucht wird.

Das zweite Ziel der "vernetzten Prävention" ist es, dass sich zwei Schulen im Landkreis des Themas nachhaltig annehmen. Die Sozialpädagogin spricht davon, dass diese Schulen "Prävention implementieren". Gemeint ist eine Unterstützung und Begleitung der Kinder von der ersten Jahrgangsstufe an. Es gehe darum, "Lebenskompetenz zu fördern", dazu gehörten ein starkes Selbstwertgefühl, ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit und die Kraft, Nein zu sagen. Kurz gesagt, so Koch: "Es geht um das Rüstzeug, um Gefahren im Leben besser standhalten zu können."

Auftakt zur Vernetzung soll eine halbtägige Veranstaltung am 5.Oktober sein, zu der Schulleiter, Schulpsychologen, Vertrauenslehrer, Pädagogen aus der Erziehungsberatung, Vertreter der Polizei, des Weißen Rings und der Kirchen eingeladen werden. Die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche seien allerdings nicht der Auslöser für ihre Initiative, betont Koch.

Denn sie sieht sexuellen Missbrauch als gesamtgesellschaftliches Problem. "Er findet immer und überall statt." Am häufigsten in der Familie, im Freundeskreis und überall dort, wo Menschen nah beieinander leben.

Koch, die zwei Töchter im Alter von 17 und 18 Jahren hat, betont: "Wenn wir es schaffen, ein einziges Kind vor sexuellem Missbrauch zu bewahren oder einigen Kindern kompetente Hilfe anzubieten, dann ist das Modell von Erfolg gekrönt." Auf das Wort "kompetent" legt sie größten Wert und warnt gleichzeitig vor "übereiltem Aktionismus".

Nur umsichtige und wohl abgewogene Hilfe helfe wirklich. "Wenn ein Kind missbraucht wird und man grätscht sofort rein, hat das Kind zwei Traumata." Die Sozialpädagogin rät deshalb jedem, der einen Missbrauchsverdacht hegt: "Hinsetzen, durchatmen, überlegen." Personal in Kindereinrichtungen empfiehlt sie, Wahrnehmungen aufzuzeichnen, sich im Team zu besprechen, Fachstellen einzuschalten. Oberstes Ziel sei es, das Kind zu schützen.

Der Fall des ehemals in Bad Tölz arbeitenden pädophilen Priesters Peter H. hat in Kochs Überlegungen keine Rolle gespielt. Allerdings begegnete der Pfarrer der Sozialpädagogin, als sie die Worte "sexueller Missbrauch" und "Bad Tölz" in die Internet-Suchmaschine Google eingab - und 3620 Treffer erzielte.

© SZ vom 8.7.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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