Bad Tölz:Energisch und unterhaltsam

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Powered by Ferrero: Franziska Wanninger in der Alten Madlschule. Viele trauen ihr eine große Karriere zu. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Franziska Wanninger belegt in Bad Tölz ihr Talent als Kabarettistin, obwohl noch kritische Ebenen fehlen.

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz

Franziska Wanninger muss sich nicht erst warm reden: Die junge Kabarettistin betritt am Samstag die Bühne und nimmt das Publikum mit dem ersten Satz in Beschlag. "Sie sind jetzt also die gebuchten Anklatscher?", fragt sie. In zwei Stunden müsse sie auf die Bühne, um die Premiere ihres neues Programms zu spielen. Doch vorher soll sie auf Verordnung ihres Managers noch schnell ein Lied schreiben, der Titel: "Ahoi", das Thema: eine Kreuzfahrt auf der Aida. Den Titel habe sie vor dem Druck der Anzeigen glücklicherweise noch ändern können, in "A hoi-be".

Im Verlauf des Abends wird so ein Lied entstehen, dessen Zeilen Wanninger vor dem Notieren an den gebuchten Anklatschern ausprobiert - falls sie nicht gerade abschweift und den rund 40 Besuchern in der gut gefüllten Alten Madlschule von ihrem Leben erzählt, von Tante Elfriede, von ihrem Manager, vom Bürgermeister von Schnecklsreith, von Florian Silbereisen und der Labrador-Mischung Mimi.

Wollte man an Wanninger etwas finden, das sich kritisieren ließe, dann wäre dies allenfalls der Mangel an politischer und gesellschaftlicher Kritik. Die offenbart sich nur hie und da, etwa in ihrer Erzählung von einem Job im Buchladen, den sie wegen einer betriebsbedingten Kündigung verloren habe. Der Grund, weshalb sie überhaupt beschlossen habe, "ein Erfolgsprogramm zu schreiben", behauptete Wanninger, "um mich an allen Amazon-Kunden zu rächen. Also an Ihnen." Denn es sei heute ja schließlich ganz normal, in den Laden zu gehen, sich beraten zu lassen und zu Hause dann bequem im Internet zu bestellen. Für Wanninger ein handfester "Beratungsdiebstahl".

Doch Wanninger stellt es so geschickt an, dass niemand die kritischen Ebenen vermisst, die man etwa von Sigi Zimmerschied kennt, dessen Auftritte schauspielerische Glanzleistungen sind und denen Wanningers deshalb ähneln. Die 33-Jährige ist so energetisch und unterhaltsam, dass sie wohl selbst ein Mathematikbuch kurzweilig intonieren könnte. Wanninger setzt Pausen und Pointen im richtigen Moment, verliert nie den roten Faden und zeichnet einen unvergesslichen Charakter nach dem anderen.

Da ist Tante Elfriede, die ihr zwar zum sechzehnten Geburtstag vor versammelter Partygesellschaft eine große Packung Damenbinden geschenkt habe, sonst aber mit ihrem Haus in Grünwald als alte, reiche und kinderlose Verwandte Wanningers die ideale Gastgeberin sei. Da ist die hormonell perfekt ausbalancierte Ehefrau des Bürgermeisters von Schnecklsreith, die ihrem Mann zum Abendessen Quinoa-Samen bereitet und "Feldsalat-Smoothies" trinkt: "Die hat sich schon von Kräutern ernährt, da hat unsereins noch Nudeln gegessen." Und da ist Florian Silbereisen, dessen einzige große Liebe, die von ihm gestylte Labrador-Mischung Mimi, seiner Mutter bis aufs Haar gleiche - und natürlich Wanningers Manager mit dem aufgeblasenen Ego, der immerzu auf ihr herumhacke, wie die Münchnerin nicht müde wird zu wiederholen. Gegen Ende findet der Manager den Zettel, auf dem Wanninger das bestellte Lied notiert hat: "Liebe Ilse, lieber Gustl, i trink a Hoibe gegn an Frustl", liest er vor - und ist begeistert.

Zum Ausklang des Abends, der trotz seiner zweistündigen Dauer viel zu schnell vorbei ist, wird Wanninger nachdenklich. Den Kopf schüttelnd über das unsinnige Aida-Lied stellt sie fest: "Was soll denn das? Ich bin so, wie ich bin." Glücklich, das sei nur jeder Vierte. Doch was genau sei denn überhaupt Glück? "Das ist, wenn der Bus genauso spät ist, wie man selber. Oder wenn Tante Elfriede einen Herzstillstand hat." Denn nur wegen solcher Menschen wie Tante Elfriede habe man Angst, nie gut genug zu sein. "Und wenn das nächste Mal einer nach der Show zu mir sagt, Du hast aber einen ganz schön dicken Hintern, sag ich: Na, und? Powered by Ferrero!"

Jeannette Stahlberg, zweite Vorsitzende des Kulturvereins "Lust", traut Wanninger nach ihrem Auftritt durchaus eine steile Karriere zu. Auch Luise Kinseher und Claus von Wagner hätten in der Alten Madlschule begonnen, ihre Plakate schmücken noch die Wände der Bar. Beide haben es auf die großen Bühnen geschafft - ein Kunststück, das auch Wanninger gelingen kann. Das Potenzial dazu hat sie jedenfalls.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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