Bad Tölz:Ein Rathaus zieht um

Lesezeit: 4 min

Die Kosten des Neubaus könnten zehn Millionen Euro erreichen. "Eine Größenordnung, die uns nicht umbringt", sagt Bürgermeister Josef Janker.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Das große Kruzifix hat Bürgermeister Josef Janker (CSU) aus seinem Dienstzimmer im Altbau mitgenommen. Eine kleine Glocke ebenfalls, dazu zwei private Fotos. Nun stehen diese Accessoires ein wenig verloren am Rand in seinem provisorischen Büro, das fast zur Hälfte vom großen Schreibtisch samt zwei Computern eingenommen wird. An der Längswand wurde aus vier kleinen Aktenschränken ein großer zusammengesetzt, von den Fenstern aus sieht man hinab auf den Parkplatz Schlossplatz, die schneebedeckten Berge im Hintergrund. Ja, sagt Janker, "ich fühle mich hier wohl". Etwas fehlt ihm jedoch. Von hier aus kann er nicht die Mädchen und Buben sehen, die aus dem katholischen Kindergarten oder vom Marionettentheater kommen. "Das ist, was mir abgeht." Aber das Intermezzo dauert nicht lange. In etwa einem halben Jahr kehrt er zurück in sein altes Amtszimmer. Dann sind Umbau und Sanierung des Tölzer Rathauses endgültig abgeschlossen.

16 Jahre ist es her, seit sich der Stadtrat erstmals mit der Renovierung des denkmalgeschützten Altbaus aus dem 18. Jahrhundert und des sogenannten Neubaus aus den Fünfzigerjahren befasst hatte. Ein Jahrzehnt verging über Nutzungskonzepten und Analysen, einer Finanzkrise und anderen Projekten der Stadt. Erst 2011 wurde der Umbau des Rathauses ernsthaft angegangen, das Treppen über Treppen, aber keinen Aufzug hatte, mit seiner alten Heizung, undichten Fenstern und ohne Dämmung energetisch völlig obsolet war. Diverse Varianten kamen aus den Tisch - von einem einfachen Anbau für einen neuen Sitzungssaal bis zu einer Version mit einem neuen, wuchtigen Mittelbau.

Der neue Sitzungssaal ist unter dem Dach. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Aus einer kleinen Lösung für 4,5 Millionen wurde in sechs Jahren eine große für 7,2 Millionen und eine noch größere für 8,5 Millionen Euro. Die Haustechnik für Strom, Wasser, Abwasser und Datenleitungen musste komplett ersetzt werden. Zudem wurde das gesamte Gelände bei den bauvorbereitenden Arbeiten vor drei Jahren mit bis zu 15 Meter langen Bohrpfählen stabilisiert - auch unter dem Rathaus selbst, das auf einem unterhöhlten Tuff-Hügel steht. In der Nazi-Zeit, sagt Janker, "waren da Luftschutzbunker eingebaut".

Inzwischen ist der sanierte Neubau mit seinem modernen Eisspeicher samt Wärmepumpe und der Solaranlage fast fertig - die Kosten liegen derzeit bei 9,4 Millionen Euro. Ein Grund für diese abermalige Teuerung ist die gute Konjunktur: Die Handwerksfirmen haben volle Auftragsbücher und boten keine Kampfpreise an. Hinzu kamen höhere Ausgaben für Beleuchtung und Medientechnik. Ob das Ganze vielleicht noch kostspieliger und sogar die Zehn-Millionen-Marke gesprengt wird, wenn erst die Sanierung von Fenstern, Heizkörpern und Elektrik im Altbau beginnt, vermag niemand genau vorherzusagen. Weder Janker noch Kämmerer Hermann Forster glauben daran. "Sicher kann es nochmals zusätzlich etwas kosten, aber wenn, dann in einer Größenordnung, die uns nicht umbringt", sagt Janker.

Bürgermeister Josef Janker musste umziehen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im Neubau hängen Zettel mit Namen und Dienststellen an den milchigen, mit großen Nummern dekorierten Glastüren. Einige Büros sind schon besetzt, andere noch leer. In der ersten Etage packt Forster große Kartons auf einen hölzernen Trolley; die Kämmerei, die Steuerstelle und die Kasse zogen am Mittwoch von ihren Interimsbüros aus der Jahnschule um, die sie im Februar 2015 hatten beziehen müssen. Bürgermeister und Friedhofverwaltung waren am Freitag vergangener Woche mit Aus- und Einräumen an der Reihe, das Bauamt ist im zweiten Stock ebenfalls schon eingezogen. Das Einwohnermeldeamt sowie das Sozial- und Rentenamt müssen am Freitag in den Neubau, das Standesamt dann am Mittwoch, die Poststelle am Donnerstag. Ungefähr im Oktober geht alles retour in den Altbau, worauf die Abteilungen Öffentliche Sicherheit, Personalstelle und Liegenschaftsverwaltung aus der Jahnschule zurück in den Neubau kommen.

Ein ziemliches Hin und Her, das unter den Bürgern leicht Verwirrung stiften kann. Janker hat einen einfachen Rat: "Die alte Telefonnummer anrufen, wenn man sich nicht sicher ist." Oder einen Termin vereinbaren. Wegen der Umzieherei hat der Bürgermeister nach eigenem Bekunden bislang kaum Klagen aus der Bevölkerung gehört. Es kam allerdings vor, dass jemand mit einem Strafzettel vorbeikam und das Bußgeld bar bezahlen wollte. Den musste Janker dann in die Jahnschule schicken, was den Verkehrssünder nicht eben fröhlich stimmte: "Er hat gesagt, jetzt muss ich schon zahlen - und rumrasen nun auch noch."

Das Rathaus erhält ein Bürgerbüro. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Im neuen Sitzungssaal unterm Dach, für den der Neubau um eine Etage aufgestockt wurde, soll der Stadtrat schon vor der Sommerpause tagen. Danach sieht es dieser Tage noch nicht aus. Der Boden fehlt, ebenso die Medientechnik, das Lautsprechersystem. "Das muss bis zur Juli-Sitzung fertig sein", so Janker. Der Aufzug an der Westseite, der zum Saal hinaufführt, fährt schon, ist aber noch nicht vom TÜV abgenommen. Dort oben soll es künftig nicht bloß politische Debatten geben, sondern auch Veranstaltungen anderer Art, etwa Tagungen oder Hochzeiten. Der Lift an der Außenseite ermöglicht den separaten Zugang, ohne dass die Gäste durchs Rathaus laufen müssen. Das neue Bürgerbüro in der Verbindung zwischen Alt- und Neubau soll im September oder Oktober eröffnet werden. Das umfasst einen eigenen Eingang, mehrere Wartezonen und einen zweiten Aufzug. Damit ist das umgebaute Rathaus zum einen barrierefrei und bietet zum anderen ein helles Entree. Ganz anders als bisher, als die Bürger im zugig-dunklen Korridor des Altbaus wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten ausharren mussten.

Wie viele Tonnen Akten wegen des Rathaus-Umbaus bewegt wurden, vermag der Bürgermeister nicht zu schätzen. Er hat aus seinem Büro sechs, sieben Kartons ins Archiv bringen lassen, 25 Kartons selbst zusammengepackt - "wobei mir der Betriebshof geholfen hat". Was die Computer anbelangt, verliefen die Umzüge reibungslos. "Die IT hat damit ganze Wochenenden verbracht und alles so hingebracht, dass wir gleich weiterarbeiten konnten." Von seinem Interimsbüro blickt der Bürgermeister auch auf die alte Stützmauer vor dem Parkplatz und die kahle Erde davor, die bis an den Neubau heranreicht. Dies soll verschwinden. Janker stellt sich an der Südseite eine Terrasse vor, wo die Tölzer wie im Bürgergarten sitzen und ausruhen können. Darüber werde man aber erst 2018 nachdenken, sagt er.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: