Bad Tölz:Der Kämmerer und sein Bürgermeister

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Der parteilose Hermann Forster hält im Stadtrat politische Reden, während Josef Janker schweigt. Manch einer fragt sich, wer der Chef im Rathaus ist.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Wenn ein Kämmerer über den Haushalt referiert, geht es um Einnahmen und Ausgaben, Rücklagen und Schulden, Budgets und Steuern. Zahlen über Zahlen also. Viele Finanzverwalter einer Kommune hängen als Ceterum censeo noch eine Mahnung zur Sparsamkeit an. In Bad Tölz ist das anders. Stadtkämmerer Hermann Forster schlüpft bei der Vorstellung des Etats gerne in die Rolle, die andernorts dem Bürgermeister vorbehalten ist: Er kommentiert das Weltgeschehen, lobt den Stadtrat für seine Beschlüsse, befasst sich mit Sinn und Ziel von Konzepten, spricht davon, welche Weichenstellungen nötig sind. Das war auch so in seinem "Haushaltsbericht" für 2016, den er am Dienstag im Stadtrat vortrug. Eine über weite Strecken politische Rede, worauf Zweiter Bürgermeister Andreas Wiedemann (FWG) leicht süffisant anmerkte: Forster habe "die Aufgabe des Bürgermeisters übernommen und uns gesagt, wo es lang geht".

Das erweckt den Eindruck, der Stadtkämmerer sei der heimliche Chef im Tölzer Rathaus. Josef Janker (CSU) weist dies weit von sich. "Wer so denkt, hat keine Ahnung von den Abläufen hier herin", widerspricht der Bürgermeister. Dann listet er auf: Der geplante Immobilien-Tausch des Klostergebäudes, der Franzmühle und der Alten Madlschule zwischen Stadt und Erzdiözese - seine Idee; die neue Asylunterkunft auf der Flinthöhe, die später als sozialer Wohnungsbau dienen soll - seine Idee; die neue Kinderkrippe an der General-Patton-Straße mit sechs statt drei Gruppen - seine Idee; das Konzept der Neuen Tölzer Hotelkultur - die Idee von Michael Maas, dem ehemaligen Kempinski-Geschäftsführer, "und ich habe gesagt, wir machen es"; das Grundstück für den Neubau eines Pflegeheims hinter der Asklepios-Klinik - Forsters Idee. Janker wäre es lieb, wenn all das nicht in der Zeitung stünde. Im Rathaus habe es niemand notwendig zu sagen, "das ist mein Baby", sagt er. Alles werde mit den Referatsleitern besprochen und diskutiert. Klar sei aber auch: "Ich kann nicht etwas tun oder zulassen, wo man mir hinterher die Verantwortung gibt, und ein anderer ist schuld." Janker, der in seiner achtjährigen Amtszeit als Erster Bürgermeister noch nie eine Haushaltsrede gehalten hat, gesteht seinem Kämmerer politische Kommentare zu. Vor allem deshalb, weil Forster auch berufsmäßiger Stadtrat ist. "Ich will ja, dass er politisch denkt."

Forster fungiert seit 2004 als Kämmerer und gehört keiner Partei an. Er leitet die Legitimation für seine Äußerungen aus eben dieser Stellung als berufsmäßiger Stadtrat ab, der vom Stadtrat gewählt wird. "Das ist keine Amtsanmaßung." Hätte er diese Funktion nicht, wären politische Aussagen "von der Verwaltungsseite her sehr gefährlich". In der Ratssitzung am Dienstag pries der Kämmerer die Investitionen vergangener Jahre in Sportstätten und Kindergärten, Kläranlage und Hausmülldeponie, Jugendherberge und Vitalzentrum. In Kernbereichen der Daseinsvorsorge sei Tölz sehr gut aufgestellt, befand er. Die neue Asylunterkunft sei nötig, wenn man den "viel gepriesenen Solidaritätsgedanken nicht mit Füßen treten will". Tölz müsse sich nun aber auch der "Mammutaufgabe" der Integration von Flüchtlingen widmen, die zumindest für eine gewisse Zeit der Residenzpflicht unterliegen sollten, damit sie nicht in Großstädte abwanderten und dort Ghettos bildeten. Als "heimlicher Bürgermeister" sieht sich Forster ob solcher Aussagen nicht: "Das will ich gar nicht sein."

Auf die Zahlen des Haushalts 2016, die er eine Woche zuvor dem städtischen Haupt- und Finanzausschuss präsentiert hatte, ging er nicht mehr ein: Die Schulden verdoppeln sich auf zwölf Millionen Euro, die Rücklage schrumpft auf 4,2 Millionen, die Investitionsrate liegt nur bei 3,95 Millionen. Der Stadtrat beschloss, für die 4,7 Millionen Euro teure Asylunterkunft ein Darlehen über 2,5 Millionen bei der BayernLabo aus dem Programm "Energiekredit Kommunal Bayern" aufzunehmen. Die restliche Summe wird über einen Kredit von 2,1 Millionen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert.

Der Stadtrat billigte den Haushalt einstimmig. Die Sprecher der einzelnen Fraktionen bezeichneten ihn als evident, als klug, als werthaltig. Das geplante Spa "Natura Tölz" taucht im Etat nicht auf. Dafür will Forster heuer noch ein Kommunalunternehmen gründen. Franz Mayer-Schwendner (Grüne) zeigte sich gespannt, "was für ein Kaninchen der Kämmerer da aus dem Hut zaubern wird".

Forster als Politiker - damit haben die Tölzer Stadträte kein Problem. "Das stört mich absolut nicht", sagt Camilla Plöckl (SPD). Ein Kämmerer sei die rechte Hand des Bürgermeisters. Meyer-Schwendner hat schon häufiger vernommen, der Kämmerer sei der Chef im Rathaus. "Das ist im Scherz gemeint nicht ganz verkehrt." Er sei ein Gestalter, aber auch loyal und kenne seine Grenzen, meint er. Nicht einmal Andreas Wiedemann sieht den Kämmerer als graue Eminenz. Im Rathaus gebe es keine Alleingänge, sagt er. Und als berufsmäßiger Stadtrat dürfe Forster "schon ein bisschen mehr sagen".

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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