Ausstellung im historichen Bahnhof Starnberg:Eine Reise zum Glück

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Autor Titus Arnu und Fotograf Enno Kapitza haben die Menschen im unzugänglichen Tsum-Tal besucht

Von Katja Sebald, Starnberg

Was ist Glück? Und wo kann man es finden? Diese Fragen hat sich wohl jeder schon einmal gestellt. Auf der Suche nach Antworten machten sich zwei Männer im Herbst 2016 auf den Weg ins Tsum-Tal, einen heiligen buddhistischen Ort, der erst seit dem Jahr 2007 von Touristen besucht werden kann. Der Reise-Autor Titus Arnu, der auch für die SZ tätig ist, und der Fotograf Enno Kapitza haben aus ihren Eindrücken einen wunderbaren Bildband zusammengestellt. Ausschnitte aus ihrem Buch "Tsum" über das Leben in einem entlegenen Tal im Himalaya zeigen die beiden derzeit im Rahmen der Ausstellungsreihe "nah - fern" in der ehemaligen Schalterhalle im historischen Bahnhof Starnberg.

"Tsum" bedeutet nichts anderes als "Glück". Zu Füßen der Achttausender fand Enno Kapitza nicht nur Bilder der atemberaubend schönen und wilden Landschaft, sondern er fotografierte vor allem die Gesichter glücklicher Menschen, die unter einfachsten Bedingungen und aus unserer Sicht unter großen "Entbehrungen" leben. Keine Straße führt ins Tal des Glücks, man erreicht es erst nach fünf Tagesmärschen. Bis vor Kurzem gab es dort keinen Strom, kein Handynetz und kein Internet, nur unerbittliche Natur. "Warum machen wir das eigentlich? Warum tun wir uns das an?", fragt Kapitza seinen Freund vor laufender Kamera nach einer eisigen Nacht. Drei Jahre später sagen beide, dass sie mit dieser Reise ruhiger und gelassener geworden sind, dass sie "so etwas wie Spiritualität" erfahren haben.

In der Ausstellungsreihe "nah - fern" präsentieren Enno Kapitza (links )und Titus Arnu Eindrücke ihrer Nepal-Reise. (Foto: Arlet Ulfers)

Eindrücklich schildern die großformatigen Fotografien an den Wänden der Schalterhalle den Alltag im Tsum-Tal. Kapitza gelingt es, spektakuläre Aufnahmen ohne Pathos zu präsentieren. Aus den Texten neben den Bildern erfährt man, dass die Einwohner gelobt haben, auf Gewalt zu verzichten und weder Menschen noch Tiere zu töten. Sie jagen nicht, sie ernten keinen Honig und sie handeln auch nicht mit Nutztieren. Ebenso stehen viele Pflanzen unter Schutz. Selbst Schädlinge werden aus Respekt vor allen Daseinsformen nicht vernichtet. Gegen Ratten und Mäuse werden allenfalls Katzen eingesetzt. Eine offizielle Erklärung, die auch Fleischhändlern den Zugang zum Tal verwehrt, wurde von der nepalesischen Regierung unterzeichnet. Es gibt Genossenschaften, Gemeinschaftseigentum und Großfamilien, die in Polyandrie leben - mehrere Männer teilen sich also eine Frau.

"Wenn man unglücklich ist, findet man auch auf einem weichen Sofa keinen Schlaf. Wir sind hier so glücklich, dass wir auch auf einem Felsen schlafen können." So zitiert Titus Arnu einen der Bauern im Tsum-Tal. In diesem Sinn hat er nun für die Ausstellung in Starnberg eine Reihe von Aussagen über das Glück auf Stoffstücke geschrieben, die wie Gebetsfahnen an Leinen in den Raum gehängt wurden. Seine Erkenntnis: Glück ist, wenn man die Chance hat, gründlich danach zu suchen. Ein Glück ist es für die Frauen im Tsum-Tal, dass sie für jeden Zweck einen Ehemann haben.

Zur Installation von Kapitza und Arnu in der Schalterhalle des Historischen Bahnhofs Starnberg gehören auch Auszüge aus Tagebuchnotizen und ein Campingzelt - zum entbehrungsreichen Leben der Bewohner des Tals des Glücks hat es freilich keinen Bezug. (Foto: Arlet Ulfers)

Doch Glück kann auch darin bestehen, dass man am Ende des Tages überhaupt noch lebt. Im Tal des Glücks ist man Naturkatastrophen ebenso ausgesetzt wie Schneeleoparden oder Schakalen. Einen Hubschrauber in medizinischen Notfällen können sich allenfalls Touristen leisten, Einheimische müssen auf Schamanen und die Heilkunst in Klöstern vertrauen. Dieses Leben im Einklang mit der Natur mag ein Gegenentwurf zu unserer schnelllebig-bequemen Konsumwelt sein - mit der Campingplatz-Idylle, die das Zelt in der Mitte der Schalterhalle suggeriert, hat es sicher nichts zu tun.

Bis 13. Oktober, Do und Fr 16 bis 18 Uhr, Sa und So 14 bis 18 Uhr

© SZ vom 26.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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