Ausflügler nutzen lieber das Auto:Bergsteigerbus mit Startproblemen

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Der RVO hat den Takt für die Linie 9569 aus dem Isarwinkel in die Eng verdichtet. (Foto: RVO)

RVO und Alpenverein haben Takt für Linie aus dem Isarwinkel in die Eng verdichtet. Die Nutzerzahlen sind trotzdem nicht gestiegen

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Das erste Projektjahr hätte kaum unglücklicher beginnen können: Das Gros der Ausflügler kommt bislang mit dem eigenem Kraftfahrzeug in das Rißtal mit dem großen Ahornboden in der bayerisch-österreichische Grenzregion - und nur etwa 1300 bis 1400 Wanderer fahren pro Sommersaison mit dem "Bergsteigerbus" bis ans Talende nach Tirol. Durch einen wesentlich dichteren Takt an Wochenenden und Feiertagen sollte diese Zahl heuer und in den beiden kommenden Jahren angehoben werden. Doch die Pandemie machte die Planungen zunichte. Das Projekt konnte erst verzögert beginnen. Fahrgastzahlen und Erlöse stagnierten auf dem bisherigen Niveau.

Wenn Ralf Kreutzer die Zahlen des vergangenen Sommers analysiert, ist er ernüchtert, aber auch zuversichtlich. "Es ist nicht hoffnungslos", sagt der zuständige Regionsleiter der Regionalverkehr Oberbayern (RVO) GmbH. Sein Unternehmen und der Deutsche Alpenverein (DAV) haben das auf drei Jahre angelegte Projekt mit mehr als doppelt so vielen Verbindungen an Wochenenden in die Eng initiiert. Dass viel mehr Ausflügler in den Bergsteigerbus der RVO-Linie 9569 umsteigen, hat allerdings heuer nicht funktioniert. "Wir haben 217 Euro mehr eingenommen als 2019", schildert Kreutzer - und das bei Einnahmen auf mittlerem fünfstelligen Niveau. Die Erlöse seien bei mehr Fahrleistung und mehr Kosten durch den dichteren Takt in etwa gleich geblieben. Allerdings konnte das Projekt durch den Lockdown im Frühjahr nur verspätet beginnen - statt zu Pfingsten Ende Mai erst am 15. Juni. Zudem gibt Kreutzer zu bedenken, dass sich der Erfolg neuer Nahverkehrsprojekte immer erst nach ein paar Jahren zeige. "Man braucht einen längeren Atem."

Die schönste Linie

Ein Grund, dass Ausflügler den Bergsteigerbus von Bad Tölz, beziehungsweise Lenggries bis in die Eng gemieden haben, könnte die Fahrtdauer sein. Mehr als eine Stunde sind Wanderer bis zur Endhaltestelle unterwegs. In der Pandemie hätten Menschen den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wegen des Ansteckungsrisikos gemieden, sagt Kreutzer. Allerdings seien die RVO-Busse zum Eibsee bei Garmisch-Partenkirchen oder zwischen Kochel am See und dem Walchensee den Sommer über voll gewesen. Dort sei aber auch die Fahrstrecke kürzer.

Der Bergsteigerbus in die Eng ist für Kreutzer jedoch die schönste RVO-Linie. Dennoch: Auffallend weniger Ausflügler sind heuer bis dahin ausschließlich mit dem ÖPNV gekommen. Knapp 500 Kombitickets für die Verbindung der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) und die Weiterfahrt mit dem Bus wurden im Vorjahr verkauft. 2020 seien es nur 50 Prozent gewesen, sagt Kreutzer. "Das ist schade." Noch ernüchternder waren die Transportzahlen bei Ausflüglern mit Fahrrädern. Von erschreckend wenigen 102 Rädern spricht Kreutzer, die Gäste 2019 im Bus mitgenommen hatten. Heuer waren es nach seinen Angaben nur noch 92 Fahrräder. Dabei sei das Gelände zum Radeln eigentlich ideal, denn von der Eng aus könne man mit dem Rad wegen des Gefälles bequem talauswärts fahren.

Gleichwohl hat Manfred Reindl wesentlich mehr Radfahrer und Mountainbiker über den Sommer in der Rißtal-Gegend gezählt. "Es waren dreimal so viel", schätzt der Ortsvorsteher des Tiroler Orts Hinterriß und Betreiber des dortigen Gasthofs zur Post. Mit dem Auto parkten viele auf den Stellplätzen zwischen dem bayerischen Vorderriß und dem österreichischen Hinterriß, um von dort ihre Radtouren zu starten, vermutet er. Denn auf der zwölf Kilometer langen Mautstraße, die erst südöstlich von Hinterriß beginnt, sind die Nutzerzahlen laut Reindl über den Sommer hinweg nicht gestiegen. Vor allem im Juli und August seien zwar deutlich mehr Ausflügler im Karwendel unterwegs gewesen. Dafür sei es wegen der Pandemie erst vom 15. Juni an erlaubt worden, auf der normalerweise ab 1. Mai offenen Mautstraße zu fahren. In den beiden Herbstmonaten vor der Wintersperre - September und Oktober - sei das Wetter vielfach schlecht gewesen, sagt Reindl. Daher habe sich der Ausflugsverkehr in Grenzen gehalten.

Aktuelle Nutzungszahlen der Weggemeinschaft für die Mautstraße liegen nicht vor. Das Niveau verkaufter Tickets bleibe seit Jahren etwa gleich, sagt Reindl - mehr nicht. Die jüngsten von der Verwaltung des Naturparks Karwendel publizierten Daten stammen aus dem Jahr 2013. Damals wurden für 622 Omnibusse, 8012 Motorräder und 48 199 Autos Mautgebühren gezahlt. Zum Vergleich: Im Jahr 1960 waren 718 Busse, 14 917 Autos und 1047 Motorräder auf der Strecke unterwegs. Die höchsten Nutzerzahlen gab es in den 1990er Jahren.,Wie erfolgreich der Bergsteigerbus sich entwickeln kann, entscheidet sich für RVO-Regionsleiter Kreutzer im kommenden Sommer. Geplant ist, dass die Linie 9569 zwischen 29. Mai und 10. Oktober fährt. Mit mindestens 3000 Fahrgästen mehr als bisher rechne sich der dichtere Takt auch finanziell. Bei 119 Fahrtagen wie heuer seien dies 25 Gäste mehr pro Tag. "Ich bin optimistisch, dass wir ein gutes Jahr hinlegen werden", sagt Kreutzer. So könne das neue Angebot eine runde Geschichte werden.

© SZ vom 02.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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