Aus dem Wolfratshauser Amtsgericht:Taxifahrt mit Hindernissen

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Was in einer halben Stunde Fahrt alles passieren kann, kann unter Umständen auch vor Gericht führen, wie ein Wolfratshauser Beispiel zeigt. (Foto: Peter Steffen/dpa)

21-Jähriger muss sich wegen Zechprellerei verantworten.

Von Konstantin Fahrner, Wolfratshausen

Zwischen der Gemeinde Rottach-Egern am Tegernsee und der Stadt Bad Tölz liegen rund 23 Kilometer Fahrtstrecke. Das sind hochgerechnet circa 31 Minuten mit dem Taxi. Ein überschaubarer Zeitraum. Doch in einer knappen halben Stunde kann dennoch mehr passieren, als man annehmen könnte.

Es war bereits tiefste Nacht, als der damals 20-jährige Markus O. (Name geändert) im April des vergangenen Jahres in ein Taxi eingestiegen ist, das ihn von Rottach-Egern nach Hause bringen sollte. Nach etwa zwei Drittel der Strecke stoppte der Fahrer das Taxi auf Höhe von Waakirchen. Markus O. hatte sich in dem Fahrzeug erbrochen. Dem Fahrer wurde übel, er erklärte die Fahrt vorzeitig für beendet. Und er forderte seinen Gast auf, die bis dahin angefallenen Fahrtkosten von 37,80 Euro zu begleichen sowie für die Reinigung seines Taxis aufzukommen. Doch der 21-Jährige führte zu diesem Zeitpunkt kein Bargeld mit sich, weswegen er den Fahrer bat, ihn bis zur nächstgelegenen Sparkassenfiliale mitzunehmen. Dort angekommen schien der Fahrgast zunächst das Geld wie vereinbart abzuheben, ergriff dann aber kurzerhand die Flucht. Der Taxifahrer versuchte, den Flüchtigen zu fassen und nahm die Verfolgung auf. Dabei stürzte er allerdings. Sowohl sein Handy als auch seine Kleidung nahmen dabei Schaden. Und auch der Taxler selbst kam nicht ohne Blessuren davon. Er wurde, nachdem Polizei und Krankenwagen angerückt waren, von den Sanitätern in eine Klinik gebracht.

Am Dienstag hat der kuriose Fall das Amtsgericht Wolfratshausen beschäftigt. Dem angeklagten Fahrgast wurden bewusste Täuschung und Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils vorgeworfen. Der Prozess fand fast genau ein Jahr nach der Tat statt. Zu seiner Verteidigung führt der heute 21-Jährige auf, dass es sich bei der ganzen Sache um ein Missverständnis gehandelt habe. Er sei nicht von Anfang an darauf aus gewesen, die Fahrt nicht zu bezahlen. Es hätte schlicht und ergreifend keine Möglichkeit gegeben, das Geld abzuheben. Auch hätte ihn der Taxifahrer seinem Empfinden nach eher gewaltsam aus dem Auto gezerrt, als sie die Sparkasse erreicht hatten. Er habe sich deshalb aus Panik mehr in die Filiale geflüchtet als begeben und sogar selbst die Polizei verständigt, als er sich alleine darin befand.

Der Fahrer wiederum gibt an, er habe seinen betrunkenen Fahrgast nur davon abhalten wollen, auf die Straße zu stürzen. Und er wollte ihn beim Geldabheben nicht stören. Im Nachhinein macht das auch für den Fahrgast Sinn. Vor Gericht räumt er ein, dass sein Urteilsvermögen zum Zeitpunkt des Tathergangs durch den hohen Alkoholspiegel von 2,1 Promille und die aufkommende Panik beeinträchtig gewesen sein könnte.

Das gewaltsame Festhalten, das keines war, aber als solches interpretiert wurde: ein Missverständnis. Durchaus nachvollziehbar für Richter Urs Wäckerlin. Doch die Aussage des Angeklagten hinsichtlich des Bargelds deckt sich nicht ganz mit der Zeugenaussage des Fahrers. Dieser berichtet, dass der 21-Jährige sehr wohl Geld abgehoben habe, dies aber zu wenig war, um den Fahrpreis zu begleichen. Ohne ihn bedrohen zu wollen, habe er, der Fahrer, nach einer Lösung des Problems gesucht, als der Fahrgast plötzlich davongelaufen sei.

Die beiden Beteiligten haben sich seit der nächtlichen Fahrt ausgesprochen und sich verziehen, wie sich vor Gericht herausstellte. Außerdem hatte der Angeklagte bereits die Hälfte der finanziellen Ansprüche des Taxifahrers beglichen. Dennoch wird der 21-Jährige - entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft nach einem Freispruch - des Betrugs schuldig gesprochen und zu 24 Sozialstunden verurteilt. Es handele sich um einen prototypischen Taxi-Betrug, so Richter Wäckerlin: Einsteigen, obwohl einem bewusst ist, dass man nicht genügend Geld zur Hand hat. Der Verurteilte wird wohl weder Berufung noch Revision einlegen.

Auch wenn der Taxifahrer durch den nächtlichen Vorfall neben seiner dreitägigen Arbeitsunfähigkeit einen relativ hohen Sachschaden zu beklagen hat - das Taxi musste gereinigt werden -, zeigt er nach dem Urteil dennoch viel Verständnis für die Situation des Angeklagten: "Wir waren ja alle mal jung."

© SZ vom 25.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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