Aus dem Amtsgericht Wolfratshausen:Angeeckt und abgehauen

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Richter Berger verurteilt 58 Jahre alten Mann wegen Fahrerflucht

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Sie hatte mit sich gerungen. Ob sie ihre Beobachtungen überhaupt melden sollte, überlegte die 43-jährige Bürofachangestellte. "Weil man hat nur Scherereien damit", sagte sie diese Woche vor dem Wolfratshauser Amtsgericht.

Die Frau hatte im Januar ein Paar gesehen, das auf dem Parkplatz der Wolfratshauser Kreisklinik mit dem Auto gegen ein anderes Fahrzeug gestoßen war. Die beiden Insassen waren zwar noch ausgestiegen, um sich den Schaden anzusehen, dann aber einfach weggefahren. Der Polizei hatte die Frau geschildert, dass der Mann von der Fahrer-, die Frau von der Beifahrerseite ihres Autos zum beschädigten Wagen gegangen seien. Das sollte sich als pikant erweisen: Denn der heute 58-jährige Mann hat seit zehn Jahren keinen Führerschein mehr, darf sich also nicht mehr ans Steuer setzen.

Für das Urteil waren die Schilderungen der Zeugin entscheidend. Richter Helmut Berger hielt die Aussage für glaubwürdig. Er verurteilte die 57-jährige Angeklagte zu einer Geldstrafe von 750 Euro, weil sie ihren Mann ohne Führerschein hatte fahren lassen. Ihr Partner muss 1200 Euro zahlen, weil er sich ohne Fahrerlaubnis ans Steuer gesetzt und Unfallflucht begangen hatte.

Aus Sicht der Verteidigerin muss die Zeugin jedoch die beiden Angeklagten verwechselt haben. Das Paar beteuerte, dass die Frau gefahren war. Die gelernte Sachbearbeiterin schilderte, dass es an diesem Januartag schwierig gewesen sei, auszuparken. Es habe geschneit und es sei wegen der Schneehaufen eng gewesen. "Wir haben eine Anhängerkupplung und gemerkt, dass da ein leichter Anstoß da war", sagte sie. Schließlich hätten sie geschaut, ob das andere Auto beschädigt worden sei. Als sie nichts bemerkten, seien sie gefahren. "Dann ist abends die Polizei vor der Tür gestanden."

Glauben konnte das der Richter kaum. "Das sieht jeder, dass das Nummernschild eingedrückt ist", entgegnete er, als er die von der Zeugin gemachten Fotos anschaute. Ausdrücklich lobte er die Frau, dass sie die Polizei informiert hat. Damit helfe sie den Geschädigten.

Auf Nachfrage blieb die Zeugin dabei, dass der Mann von der Fahrerseite seines Autos hergekommen sei. Direkt im Moment des Aussteigens habe sie allerdings keinen der Angeklagten sehen können. "Ich habe es halt so gesehen", sagte die Frau. "Ich will niemandem etwas Schlechtes."

Damit war das Paar für die Staatsanwältin überführt. Sie schloss aus, dass die Zeugin die Angeklagten verwechselt hatte. Dass beide den Schaden nicht bemerkt hätten, sei unglaubwürdig. Für jeden von ihnen forderte die Staatsanwältin eine Strafe von 1000 Euro. Stattdessen warb die Verteidigerin, dafür ihre Mandanten freizusprechen. Beide hätten den Schaden nicht bemerkt. Die Frau sei gefahren. Das allerdings sah der Richter anders. Dass die Angeklagte auf der Beifahrerseite hinter dem Auto hervorgekommen sei, obwohl sie am Steuer gesessen haben soll, das ergebe keinen Sinn.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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