Aus dem Amtsgericht:Vertrauen missbraucht

Lesezeit: 2 min

Weil ein 43-jähriger Mann eine Frau in einem Fitnessstudio plötzlich auf die Brust geküsst hat, musste er sich nun vor Gericht verantworten. (Foto: Hartmut Pöstges)

Fitnessstudio-Inhaber wegen sexuellen Übergriffs verurteilt

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Die heute 42-jährige Einzelhandelskauffrau ekelt sich nur, wenn sie an den 13. August 2018 zurückdenkt. Nach der ersten Trainingsstunde in einem Fitnessstudio im Landkreis hatte die Frau nur ihre Körperparameter messen lassen wollen. Als sie bis auf die Unterhose nackt vor dem Betriebsinhaber stand, hatte sie der jetzt 43-jährige Mann plötzlich auf die Brust geküsst. "Ich war so perplex, was der gemacht hat", schildert die Frau am Montag vor dem Amtsgericht Wolfratshausen. Dort wird der Fitnessstudio-Inhaber wegen des sexuellen Übergriffs zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt. Außerdem muss der Angeklagte 5000 Euro an den Verein "Frauen helfen Frauen" zahlen.

Schuldig hält sich der Angeklagte gleichwohl nicht. "Mein Ziel ist, hier einen Freispruch zu erreichen", betont der Mann. Schließlich habe die Kundin ihm sexuelle Signale gegeben. Zunächst sei die Frau zu einem Elektro-Muskel-Stimulations (EMS)-Probetraining gekommen. Dafür habe er ihr die übliche Spezialkleidung in Form einer Fahrradkluft gegeben. Schon bei dieser Gelegenheit habe sich die Frau in der Umkleide umgezogen, ohne den Vorhang zu schließen. Zudem hätte sie noch gesagt, sich gerne nackt zu zeigen.

Beim ersten richtigen vereinbarten Trainingstermin habe sich die Einzelhandelskauffrau wieder umgezogen, ohne den Vorhang zuzuziehen. Als die Frau nur noch in Unterhose vor ihm gestanden habe, sei er nervös geworden. Beim Vermessen habe er die Frau am Oberschenkel und Bauch berührt. "Es hat sich Stück für Stück von beiden Seiten gesteigert", schildert der Mann. Auf Nachfrage des Strafrichters gibt er aber zu, dass die Frau ihn nicht berührt hat.

Ein Dreivierteljahr nach dem Übergriff wünscht sich die Frau nur noch, "dass jetzt endlich Ruhe ist". Empört streitet sie ab, dem Angeklagten gesagt zu haben, dass sie sich gerne nackt zeige. Mit dem Angeklagten habe sie sich von Anfang an gut verstanden, schnell seien sie beide per Du gewesen. "Aber das macht man halt so in Oberbayern." Beim Vermessen habe sie nur ihre verschwitzten, nassen Trainingsklamotten ausgezogen. Doch in der professionellen Umgebung habe sie sich nichts dabei gedacht.

Anschließend hatte die Frau den Angeklagten angezeigt. Ein Täter-Opfer-Ausgleich scheiterte, weil der Mann das ablehnte. Dessen Verteidiger forderte, seinen Mandanten freizusprechen, weil Aussage gegen Aussage stehe. Doch die Staatsanwältin plädierte für eine zehnmonatige Bewährungsstrafe.

Völlig fassungslos zu sein, bekannte Strafrichter Helmut Berger. "Ich glaube nicht, dass Sie etwas gelernt haben aus dem Ganzen", sagte er. Nur weil sich die Frau nichts dabei denke, sich nackt auszuziehen, sei sie kein "Freiwild". Der Angeklagte habe ihr Vertrauen gröblichst missbraucht.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: