Aufarbeitung der Geretsrieder Vergangenheit:Forschung unter Hochdruck

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Martin Walter, Mitglied des Arbeitskreises Historisches Geretsried, führt regelmäßig in die Tiefen der Geretsrieder Historie: zu den Bunkern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Arbeitskreis Historisches Geretsried will seine Recherchen über die NS-Rüstungsbetriebe in zwei Jahren vollendet haben.

Von Felicitas Amler, Geretsried

Keiner in der Runde ist jünger als siebzig, viele nähern sich den Achtzig. Mit der Arbeit haben sie es daher erklärtermaßen eilig: Die Mitglieder des Arbeitskreises Historisches Geretsried (AHG) setzen alles daran, ihr größtes und wichtigstes Projekt innerhalb der kommenden zwei Jahre zu vollenden. Ehrenamtlich erforschen sie die Geschichte der von 1938 an errichteten NS-Rüstungsbetriebe, auf und aus deren Fundamenten, Bunkern und Barackenlagern die Stadt Geretsried nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. "Eine Mordsaufgabe", wie ihr Sprecher Wolfgang Pintgen sagt. Unter dem Titel "Zwei Munitionsfabriken im Wolfratshauser Forst" veröffentlicht der AHG die Erkenntnisse seit Herbst 2016 nach und nach in seinen "Geretsrieder Heften".

Die Reihe über die Dynamit Actiengesellschaft (DAG) und die Deutsche Sprengchemie (DSC) war auf acht Folgen angelegt, doch bereits beim zweiten Heft - "Planung und Bau der DAG und DSC samt Nebenanlagen" musste erweitert werden: Zu einem Heft 7.2 kam 7.2a hinzu über die Unterbringung der Beschäftigten. Nummer 3 ist in Arbeit und soll am 11. Mai vorgestellt werden. Das Heft beleuchtet die Werksbahn und das Straßennetz, über welche die Rüstungsbetriebe erschlossen waren. Ein raffiniert angelegtes System, wie Friedrich Schumacher erläutert, der an der Ausgabe arbeitet. Denn die Nazis hatten die Munitionsfabriken im dichten Forst angesiedelt, um sie möglichst versteckt zu betreiben. Aus der Luft sollte das ganze Geflecht für "den Feind" nicht zu entdecken sein.

Der AHG setzt sich seit 14 Jahren mit der Geschichte der eigenen Stadt auseinander. Auf Nachwuchs können die Mitglieder - unter denen nicht nur die Jüngeren, sondern auch die Frauen in der Minderzahl sind - nur hoffen. Pintgen betont, wie bereichernd diese ehrenamtliche Arbeit sei: "Wenn man seine Heimat kennt, fühlt man sich dort auch wohler. Es stärkt die Lebensqualität." Werner Sebb stimmt zu: Wenn man über die Geschichte nichts wisse, könne man "sich leicht echauffieren", was es in Geretsried alles nicht gebe - eine Mitte etwa. Aber wer die Entstehung Geretsrieds kenne, dem sei klar, sagt Sebb: "Es konnte sich gar nicht anders entwickeln." Denn so lang hingezogen, wie sich die Stadt heute zwischen Bundesstraße 11 und Isar schlängelt, so lagen einst die Rüstungsbetriebe mit ihren Hunderten Bunkern.

Der Arbeitskreis könnte nicht nur intern Zuwachs brauchen: Er wäre vor allem dankbar für ein qualifiziert besetztes und räumlich angemessen untergebrachtes Stadtarchiv. Daran mangelt es in Geretsried. Pintgen hat dies mehrmals, in der Bürgerversammlung und als Gast des Kulturausschusses im Stadtrat, dargelegt. Mindestens eine Ganztagskraft und eigene Räume wären nötig. "Ein Schreibtisch im Kulturamt" sei jedenfalls zu wenig. Andere Städte hätten stark in ihre Stadtarchive investiert: Weilheim habe 2003 für 1,6 Millionen Euro ein eigenes Haus geschaffen, Wolfratshausen habe gerade erst die gleiche Summe ausgegeben. Bürgermeister Michael Müller (CSU) verspricht Verbesserung, sobald das Stadtzentrum rund ums Rathaus ausgebaut wird. Bis dahin soll, so sagte er im November, wenigstens eine ganze Archivar-Stelle ausgeschrieben werden. "Es zeichnet sich allmählich ab, dass sich die Stadt stärker einbringt", sagt der AHG-Sprecher.

Zu den Publikationen des Arbeitskreises gibt die Stadt Zuschüsse. Die Hefte, die in Auflagen zwischen 300 und 500 Exemplaren erscheinen, sind nicht selten schnell vergriffen.

Der AHG hat sich entschlossen, dann nicht für Tausende Euro nachzudrucken, sondern die Hefte zu digitalisieren. So ist bereits die Ausgabe "Industriepioniere in Geretsried" als E-Book erhältlich und nun auch "Ortsplanung von Geretsried. Wie aus zwei Rüstungswerken eine Stadt wurde". Gerhard Aumüller hat sich auf diese Digitalisierungen spezialisiert - auch dies rein ehrenamtlich.

www.arbeitskreis-historisches-geretsried.de

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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