Asyl-Diskussion in Benediktbeuern:"Wunderbarer Umgang mit Flüchtlingen"

Lesezeit: 3 min

Die Hilfsbereitschaft bleibt so groß wie das Interesse: Etwa 200 Leute drängen sich in das überfüllte Audimax der Fachhochschule Benediktbeuern. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Polizei gibt eine klare Antwort auf Fragen nach der Sicherheit: Die Zahl der Straftaten ist nicht erhöht, es gibt keine Gewalt gegen die Bevölkerung - nur innerhalb der engen Unterkünfte.

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Die Vorfälle am Kölner Hauptbahnhof haben offenbar nicht dazu geführt, dass Ängste oder Ressentiments gegenüber Flüchtlingen gestiegen sind. Zumindest nicht in Benediktbeuern und Bichl, wie sich bei einer Podiumsveranstaltung der Stiftungsfachhochschule zeigte. Nur eine Wortmeldung bezog sich auf die Übergriffe in der Silvesternacht. Diskussionsbedarf sehen die Bürger eher bei der Frage der Unterbringung: Container oder feste Wohnungen, ein angedachter Standort für 72 Flüchtlinge im Gewerbegebiet - über diese Themen wollten die interessierten Bürger am Montagabend reden.

Die Bereitschaft zu helfen ist in der Gemeinde groß, ebenso das Interesse an der Veranstaltung, die von vier Studentinnen des Fachs "Soziale Arbeit" im Rahmen eines Praxis-Projekts organisiert wurde: Etwa 200 Leute drängten sich in das überfüllte Audimax, viele fanden nur noch im Gang einen Stehplatz. Zum Thema "Aktuelle Flüchtlingssituation in Benediktbeuern und der näheren Umgebung" hatten die Studentinnen den stellvertretenden Landrat Klaus Koch (Grüne), den Zweiten Benediktbeurer Bürgermeister Hanns-Frank Seller, Klosterdirektor Pater Reinhard Gesing und Rudi Mühlhans vom örtlichen Helferkreis eingeladen. Der in München lebenden Ali Djan, der vor zehn Jahren aus Afghanistan geflohen ist, berichtete anschaulich von seinen Erfahrungen. Polizeihauptkommissar Steffen Wiedemann, der die Kochler Polizeistation leitet, gab eine Einschätzung der Sicherheitslage. Moderiert wurde der Abend von Professor Egon Endres, der die Zeit für Fragen und Diskussion mit einer halben Stunde recht knapp bemaß.

Die Sicherheitsfrage habe seit den Übergriffen auf Frauen am Kölner Hauptbahnhof eine neue Dimension angenommen, sagte Hauptkommissar Wiedemann. In der Region seien derartige Fälle jedoch nicht vorgekommen: "Der Umgang mit Asylbewerbern ist aus polizeilicher Sicht wunderbar." Die Zahl der Straftaten sei bei Asylbewerbern nicht höher als bei der einheimischen Bevölkerung. Zudem sei kein einziger Fall von Gewaltkriminalität in der Region bekannt. "Grund zur Sorge besteht ganz klar nicht", sagte Wiedemann.

Für Unmut im Auditorium sorgte die einzige Wortmeldung zu diesem Thema: Ein Teil der Flüchtlinge habe ein rückständiges Frauenbild, sagte der frühere Grünen-Kreisrat Paul Wildenauer. Auch im Landkreis habe sich das mit "Grapschereien" in der Tölzer Diskothek "Brucklyn" bereits abgezeichnet, wo daraufhin einer Gruppe von Flüchtlingen der Zutritt verwehrt worden war. Diese Vorfälle seien doch eine Art "Klein-Köln" gewesen.

Wiedemann ging darauf nicht näher ein. Er betonte aber: Eine möglicherweise sexistische Grundeinstellung mancher Muslime entspreche nicht den hier geltenden Wertvorstellungen. Falls es derartige Vorfälle gebe, müssten sie umgehend gemeldet werden, damit Schlimmeres verhindert werden könne. Schlägereien in Turnhallen und Massenunterkünften kämen dagegen vor. Diese Konflikte richteten sich aber in der Regel nicht nach außen, sondern entzündeten sich zwischen verschiedenen ethnischen oder religiösen Gruppen innerhalb der Unterkünfte. Enge und fehlende Privatsphäre begünstigten sie: "Wenn Sie hundert Bayern in einer Turnhalle einquartieren, dann gäbe das mit Sicherheit auch Probleme."

Wiedemann plädierte für eine dezentrale Unterbringung, wie sie in Benediktbeuern und Bichl bisher praktiziert wird: 26 Flüchtlinge sind im Energiepavillon des ZUK untergebracht, vier im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, 21 in Wohnungen in Bichl. In Zukunft wird das nicht reichen: Bis Ende 2016 müssen voraussichtlich 142 Flüchtlinge aufgenommen werden. Deshalb sollen auf zwei Grundstücken hinter dem Energiepavillon und im Gewerbegebiet Container für je 72 Menschen gebaut werden.

Der Standort am Gewerbegebiet stieß auf Kritik: Begegnungen könnten nur im Dorf stattfinden, Container im Gewerbegebiet hätten dagegen Ausgrenzungen zur Folge, hieß es. Auch Anwohner betonten, sie wollten in die Entscheidung mit einbezogen werden, wenn es darum gehe, 72 Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft einzuquartieren. Stattdessen plädierten einige Bürger für feste Wohnungen, die später an einkommensschwächere Familien oder anerkannte Flüchtlinge vermietet werden könnten. Die Gemeinde müsse ihren Solidarpakt mit dem Landratsamt erfüllen, sagte Zweiter Bürgermeister Seller, und kurzfristig Unterkünfte zur Verfügung stellen, um die Turnhalle frei zu halten. Noch seien aber keine Pachtverträge unterschrieben. Auch das Landratsamt stehe unter Druck.

Im Moment wohnen 1600 Asylbewerber im Landkreis, bis Ende 2016 könnten es an die 5000 sein. "Da sind eben auch provisorische Lösungen nötig", sagte der stellvertretende Landrat Koch. Die Flüchtlinge gäben der Region mit einer alternden Gesellschaft aber auch neue Impulse. "Und sie schärfen das Bewusstsein für die Werte des Grundgesetzes." Integration sei ein wechselseitiger Prozess, betonte Mühlhans. Wichtige Voraussetzungen seien "Begegnungen ohne Ängste", Information und Dialog. Im Helferkreis würden auch kulturelle Werte vermittelt.

Ali Djan warb um Verständnis für Flüchtlinge. "Die Menschen sind oft traumatisiert." Sie bräuchten Zeit, um zu lernen, wie Deutschland funktioniere und müssten falsche Vorstellungen an die Realität anpassen. Wichtig sei es für ihn gewesen, Menschen zu treffen, denen er vertrauen konnte. "Damit man anfängt, zu erzählen, und das Erlebte nicht mit sich herumträgt."

© SZ vom 13.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: