Am 14. Juni:Apotheken schließen aus Protest

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Am 14. Juni 2023 werden nur noch die Apotheken mit Notdienst im Landkreis geöffnet haben - alle anderen schließen aus Protest zu. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Anlässlich einer bundesweiten Aktion am kommenden Mittwoch gibt es Medikamente nur über den pharmazeutischen Notdienst. Gefordert wird eine bessere Entlohnung und weniger Bürokratie.

Von Sophia Coper, Bad Tölz-Wolfratshausen

"Es reicht." Immer wieder fällt dieser Satz, wenn man mit Apothekern und Apothekerinnen in Bad Tölz-Wolfratshausen ins Gespräch kommt. Nun initiiert die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) eine bundesweite Protestaktion mit Auswirkungen auch hier im Landkreis. Am Mittwoch, 14. Juni, werden die meisten Apotheken geschlossen bleiben.

"Das ist eine bemerkenswerte Sache, die es in der Vergangenheit so noch nicht gegeben hat", sagt Christoph Hummel, Sprecher des Bayrischen Apothekerverbandes Bad Tölz-Wolfratshausen. "Von den circa 30 Apotheken im Landkreis wird eine überwältigende Mehrheit mitmachen. Das zeigt, welcher Druck im Kessel ist." Hummel ist selbst Inhaber zweier Apotheken und kann die Forderungen der ABDA aufgrund seiner praktischen Erfahrungen hinter der Theke nur bekräftigen.

Anders als bei den Hilferufen der vergangenen Monate, die sich meist auf Lieferengpässe und Medikamentenmangel bezogen, geht es nun vor allem um eine faire Entlohnung der Apotheken. Laut der offiziellen Webseite der ABDA speise sich deren Finanzierung zu einem Großteil aus der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Für jedes eingelöste Rezept fließe ein Fixpreis von 8,35 Euro an die Filiale — ein Pauschalbetrag, der sich seit zehn Jahren nicht mehr verändert habe.

"Es kursiert immer noch die Vorstellung aus den 1970er-Jahren, dass sich Apotheken eine goldene Nase verdienen, doch das ist längst nicht mehr so", sagt Apothekerin Marietta Klemme, die in der Kur-Apotheke in Bad Heilbrunn arbeitet. "Von dem Fixpreis müssen Betriebskosten, Löhne, Miete und vieles mehr bezahlt werden." Um die angestiegenen Kosten aufzufangen, fordert die ABDA eine Erhöhung des Fixpreises auf 12 Euro, der in Zukunft regelmäßig an die Inflation angepasst werden solle. Wichtig sei es hier zu betonen, so Christoph Hummel, dass die Pauschale nicht auf die Kunden und Kundinnen abgewälzt werde. "Für die Patienten würde sich nichts verändern. Sie bezahlen weiterhin nur die Rezeptgebühr", merkt er an.

Christopher Hummel ist Sprecher des Bayrischen Apothekerverbandes Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Ein weiterer Punkt, der Hummel und Klemme sehr am Herzen liegt, ist der Abbau der Bürokratie. "Wir sind zwar freie Kaufleute, aber aufgrund der vielen Zwängen ist die Freiheit arg relativ", sagt Klemme und erzählt von einer Vielzahl von Qualitätskontrollen und Prüfungen sowie gesetzlichen Regelungen, die sich halbjährlich änderten. Christoph Hummel berichtet Ähnliches: "Unser Kerngeschäft ist es, der Kundschaft zuzuhören und zu beraten. Stattdessen werden wir im Alltag von den Krankenkassen mit Genehmigungen und Kostenvoranschlägen bombardiert. Es ist Wahnsinn, wie viel ich im Backoffice herumtelefoniere." Der Mehraufwand mache sich nicht nur für die Apotheken selbst, sondern auch für die Patienten und Patientinnen bemerkbar. "Manchmal kann ich — trotz Rezept — ein Medikament nicht herausgeben, weil ich erst einmal mit der zuständigen Krankenkasse klären muss, ob ich es abgeben darf. Das kann Tage dauern", entrüstet er sich. Qualitätskontrollen seien wichtig, so Hummel, doch "man sollte uns Spielraum lassen. Nichts ist in Deutschland so gläsern wie eine Apotheke."

Die schwierige Lage, in der sich viele Filialinhaberinnen und -inhaber wiederfänden, mache sich auch statistisch bemerkbar. Laut der ABDA sei 2022 die deutschlandweite Gesamtanzahl an Apotheken auf rund 18 000 Betriebsstätten gesunken und liege berechnet auf die Einwohneranzahl deutlich unter dem europäischen Durchschnitt. Laut Hummel zeige sich dies auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen: "Die schlechten Arbeitsbedingungen haben dazu geführt, dass junge Leute kein Interesse mehr haben, Apotheken zu übernehmen. Ich kenne Inhaber, die vergebens nach potenziellen Nachfolgern suchen. Das wird sich in Zukunft nur verschärfen."

Umso hoffnungsvoller schauen Hummel und Klemme auf den kommenden Mittwoch. "Ich hoffe, dass viele Kollegen und Kolleginnen mitmachen", sagt Apothekerin Klemme, und es dadurch Wirkung zeige. "In den letzten Jahren ist nichts passiert, weil wir nie als Einheit aufgetreten sind ", fügt Hummel an. Mittlerweile habe sich das geändert, man kämpfe nun zusammen. "Am Ende des Tages geht es um die Sicherung von grundlegender Infrastruktur für Bürger und Bürgerinnen", schließt er. Denn aller Protestaktion zum Trotz — die Notfallluke sei in der jeweiligen diensthabenden Apotheke auf jeden Fall geöffnet.

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