Anwohner fordern Maßnahmen:Schlupf- und Schallwellen

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Weidacher Bürger leiden seit Jahren unter S-Bahn-Lärm. Laut Grünen-Stadtrat Rudi Seibt sind die Ursachen vor allem bei den Schienen und Brücken zu suchen - und könnten leicht behoben werden

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Die S-Bahn ist für Wolfratshausen ein Segen, für zahlreiche Weidacher aber auch ein Fluch. Schließlich hören sie die Züge schon von weitem, etwa wenn sie über die Loisachbrücke kommen. Eine Anwohnerinitiative macht sich deshalb seit Jahren bei der Bahn stark, damit der Zuglärm gemindert wird. Nun hat Grünen-Stadtrat Rudi Seibt, der am Mühlpointweg wohnt und selbst betroffen ist, noch einmal genau nachgemessen und die Ursachen geprüft. Der Ingenieur zieht das Fazit: Der Lärm kommt von den Schienen und den Brücken. Um ihn zu reduzieren, seien Instandsetzungsmaßnahmen erforderlich. Besonders Schleifarbeiten an den Gleisen und eine neue Weiche seien "mehr als dringend und dürfen nicht um viele Monate verschoben werden", schreibt Seibt in einem offenen Brief an die Bahn.

Er sei als Stadtrat von mehreren Anwohnern angesprochen worden, ob er die Lärmfragen mit seinem Büro genauer aufklären könne, erklärt Seibt in dem Brief. Der Stadtrat arbeitet schließlich für die interdisziplinäre Genossenschaft Ingenieurgruppe München, die auch mit Lärmschutz Erfahrung hat. Mit seinen Kollegen ging Seibt also die Strecke zwischen der Loisachbrücke, auf der die S-Bahn von Icking kommt, und der Angerwiese ab, mit Fotokamera und zwei speziellen Mikrofonen. In der europäischen Bahnrichtlinie für Lärmschutz sei für fahrende Elektrotriebzüge ein Grenzwert von 81 Dezibel festgeschrieben, erklärt Seibt. Dieser werde in Wolfratshausen "bei weitem übertroffen". So habe er Spitzenwerte von mehr als 96 Dezibel gemessen. "Dies liegt nicht an den Fahrzeugen, sondern am Zustand der Schienen und an den fehlenden Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmerweiterung."

Seibt fügt dem Brief seine Untersuchungen bei, welche die gefundenen Probleme auf 21 Seiten detailliert aufzeigen. Das Hauptproblem sind demnach die abgefahrenen Gleise. Dort hätten sich sogenannte Schlupfwellen gebildet, die die Geräusche der über sie rollenden Züge verstärkten. Weil sie auch zu einer Mehrbelastung an den Achslagern der Züge und dem Gleisbett und also zu Mehrkosten führten, sei die Wartung wichtig. "Die durch Schlupfwellen ausgelöste Lärmbelästigung ist dabei für die Bahn sekundär, für die Anwohner primär."

Seibt stellt fest, dass die Bahn in den vergangenen Jahren die Schienenoberflächen jährlich geschliffen habe, um die Wellen zu beseitigen. In den Jahren 2016 und 2017 seien diese Arbeiten aber ausgeblieben. Am größten aber ist laut Seibts Untersuchung der Lärm, der von der Loisachbrücke ausgeht. Mit dem Bergwald im Rücken sei die "Auswirkung der Lärmabstrahlung hier besonders groß und weiträumig".

Zwar biete die Brückenkonstruktion gute Voraussetzungen für einen leisen Betrieb. Allerdings liege der Schotter vermutlich direkt auf dem Beton auf, was die Rollgeräusche an den Kastenträger der Brücke übertrage. Verstärkt wird der Lärm laut Gutachten noch durch ein rundes Einstiegsloch für Wartungsarbeiten, das keinen Deckel hat. Dieses "Mannloch" wirke wie ein Lautsprecher, erklärt Seibt. Die schräge harte Bodenfläche reflektiere den Schall dann weiter ins Tal. "Die Loisachbrücke wirkt also wie ein Schallverstärker, die exponierte Lage lässt den Schallkegel über ganz Weidach ertönen." Abhilfe würden laut Seibt etwa eine Zwischenlage aus Elastomer und der Verschluss des Einstiegslochs schaffen.

Als "großer Resonanzkörper" wirke auch die Brücke an der Weidacher Hauptstraße, die als Stahlblechkasten gebaut worden sei. Auch dafür schlägt Seibt Optimierungen wie eine Isolierschicht vor. Die fehlt laut Gutachten auch in dem Bereich des Fußgängertunnels am Mühlpointweg. Dort werde der Lärm zudem von einer verschlissenen Weiche verstärkt, die sich im Bereich des Betontunnels befinde. "Aus der Gleisabnutzung ist erkennbar, dass die bevorzugte Nutzung des westlichen Gleises (S-Bahn) mit dem dann im Kurvenradius höher belasteten Außenrädern die Gleisstücke stark strapaziert", heißt es dazu in dem Papier. Seibt schlägt einen Austausch der Weiche vor. Damit könnten auch "lang andauernde Betriebsstörungen durch Weichenbruch" vermieden werden.

Der Stadtrat bittet um Auskunft, wann die Bahn die dringenden Schleifarbeiten und andere Lärmschutzmaßnahmen durchführen will. Das Unternehmen habe gegenüber der Stadt und der Anwohnerinitiative um Alexander Lippen mehrfach Instandhaltungsmaßnahmen an den Gleisen und den Bauten angekündigt, stellt Seibt fest. "Diese sind einige Jahre unterblieben." Die Folgen davon seien für alle im Ortsteil Weidach "mehr als belästigend".

Die Bahn bestätigt den Eingang des Schreibens von Seibt an die DB Netz AG. "Wir werden die Begutachtung durch unsere Fachstellen prüfen und den offenen Brief dann beantworten", erklärt Bahn-Sprecher Bernd.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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