Einweihung:Musikgenuss in nüchternem Ambiente

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Aglaya Zinchenko durfte den neuen Konzertflügel der Penzberger Musikschule einweihen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Zur Eröffnung des neuen Konzertsaals der Penzberger Musikschule interpretierte Pianistin Aglaya Zinchenko Klassiker auf dem ebenso neuen Konzertflügel.

Von Hans Hoche, Penzberg

Ein neuer Konzertsaal, ein neuer Konzertflügel der Weltklasse, eine international gefeierte Pianistin - das klang nicht alltäglich, man war gespannt, die Erwartungen waren groß. Dass man zunächst an Bauzäunen und Schuttbergen vorbei und unter einem Baugerüst durch musste, tat dem keinen Abbruch. Auch nicht der Geruch von frischer Deckenfarbe und dem bedenklich locker verschraubten Edelstahlhandlauf im Foyer. Jedem war klar, die Penzberger Musikschule im umgebauten, einstigen Metropol-Kino ist noch eine Unvollendete. Aber nach Jahren provisorischer Unterbringung gibt es endlich ein eigenes Heim - ein Gewinn für Kultur und Künstler in und um Penzberg. Die atmosphärischen Defizite, wie sie jeder Neubau aufweist, werden im Lauf der Zeit verschwinden. Wohin man auch blickte: Eingang, Foyer, Gänge - alles ist in Beton gehalten. Nüchtern, nackt, schmucklos und damit wohl zeitgeistgemäß. Spontaner Ausruf einer Konzertbesucherin: "... hat es für Farbe nicht gereicht?"

Heutzutage sehen Akustikdesigner in Beton einen durchaus brauchbaren Baustoff für gute Klangwirkung. Es ist ein Vorurteil, dass ein Konzertsaal aus Holz besser wäre. Das 2014 eröffnete Konzerthaus im oberpfälzischen Blaibach ist ein weltweit beachtetes Beispiel dafür. Auch der neue Konzertsaal im Metropol in der Penzberger Musikschule wartet nicht mit den sonst üblichen warmen Holztönen auf, sondern zeigt sich ebenfalls betonnüchtern unterkühlt. Die unvorteilhafte Beleuchtung verstärkt das noch, aber das lässt sich nachbessern. Auch kann bestimmt an der Schnittstelle zwischen Ästhetik und Akustik noch gefeilt werden. Atmosphärisch hat es auf den ersten Blick eher etwas von einer Werkstatt. Dann muss Musik die Farbe liefern. Dafür sorgten an diesem Abend zwei Spitzenpartner: Die russische Pianistin Aglaya Zinchenko und der nagelneue Steingraeber-Konzertflügel bildeten eine eindrucksvolle Verbindung. Die Künstlerin, geboren in Sankt Petersburg, absolvierte dort ihr Musikstudium mit Auszeichnung. Seit 2014 lebt sie in Frankreich.

Der erste Teil des Konzerts begann mit Bachs mathematisch streng durchstrukturierter Partita Nr. 3 in a-Moll, deren spieltechnisch hohes Niveau Aglaya Zinchenko überzeugend präsentierte. Auch die Konzentration der Zuhörer war da gefordert. So hatte es fast etwas Entspannendes, im Anschluss Brahms' 16 Walzer op. 39 zu hören. Welch reizende, liebenswürdige Klänge von einem doch so ernsten, norddeutschen, protestantischen Komponisten. Die unterschiedlichen Tänze, vornehm im Ausdruck und durchdrungen von schlichter Unbefangenheit, zauberten Lächeln auf so manches Zuhörergesicht. Aglaya Zichenkos wunderbares Spiel ließ keinen Zweifel darüber zu, dass auch sie Brahms liebt. Russische Musikliteratur bildete den zweiten Programmteil, als da waren die Petite Suite, Alexander Borodins (1833 bis 1887) Hauptwerk für Klavier, gefolgt von vier der 1901 entstandenen Präludien "Thema und Variationen op. 61" des russischen Komponisten und Musikkritikers César Cui (1835 bis 1918). In diesem Werk kam die gesamte Klangfülle des Spitzenflügels zur vollen Entfaltung.

Begünstigt durch die gute, wenngleich etwas trockene Akustik im Konzertsaal, hatte man das Gefühl, direkt im Flügel zu sitzen. Der letzte Programmpunkt führte indirekt wieder zurück zu Bach. Es waren Nikolai A. Rimskij-Korsakows (1844 bis 1908) Variationen auf das Thema B-A-C-H, mit denen er seine Verehrung gegenüber Bach Ausdruck verlieh. Wie auch bei den Werken zuvor gab Aglaya Zinchenko eine kurze Einführung über das Werk und schlug dabei zur Verdeutlichung die vier aufeinander gelagerten Halbtöne einzeln an, auf denen das Motiv B-A-C-H aufgebaut ist.

Nach herzlichem Applaus wurde das Publikum mit Rimskij-Korsakows "Hummelflug" belohnt, in dem Aglaya Zinchenko nochmals mit atemberaubender Behändigkeit ihre Finger über die Tasten fliegen ließ. Dazu passend, wenngleich ungewöhnlich, wurde ihr zum Schluss anstelle der üblichen Blumen ein Glas Brombeermarmelade überreicht.

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