Abschied:Drei Jahre Bad Tölz sind genug

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Patrizia Zewe verlässt die Kurstadt Richtung Schwabing. Die Gegend um den Jungmayrplatz wird aber weiter ein Ort für Ateliers und Begegnungen mit Künstlern bleiben

Von Petra Schneider, Bad Tölz

Wer Patrizia Zewe kennt, weiß, dass man damit rechnen musste: Dass sie weiterzieht, weil es sie nie lange an einem Ort hält. Dass sie Veränderung braucht, weil das der Motor ihrer Kreativität ist. Nun ist es entschieden - Bad Tölz wird zukünftig ohne die umtriebige Galeristin und Künstlerin auskommen müssen. Ihre Wohnung ist zum 31. Dezember gekündigt, ihr kleines Atelier am Jungmayrplatz übernimmt die Kalligrafie-Künstlerin Birgit Haas-Heinrich. Zewe zieht zurück nach Schwabing. Nach drei "wunderschönen, erfolgreichen Jahren hier in Tölz, mit aufgeschlossenen, kunstinteressierten Menschen", wie die 65-Jährige sagt.

Nun wolle sie sich aber wieder "ins Getümmel stürzen". Will in Schwabing da anknüpfen, wo sie vor drei Jahren aufgehört hat. Will abends ausgehen und "bis 22 Uhr frühstücken können". Tölz - das sei wunderschön und man fühle sich in der Stadt sehr sicher. Aber abends essen gehen? Höchstens in den rustikalen Wirtschaften. Mal mit Freundinnen ein Glas Wein trinken? Die Cafés in der Marktstraße schließen um 18 Uhr, die am Isarkai spätestens um 21 Uhr. Das solle keine Kritik sein - "man kann aus einer Kleinstadt eben keine Metropole machen." Tölz sei wie ein Sanatorium - im positiven Sinn, wie Zewe betont. Aber sie müsse jetzt wieder raus aus dieser Komfortzone.

Für die Stadt ist das ein Verlust. In kurzer Zeit hat Zewe, die einem Düsseldorfer Modeunternehmen entstammt und auch als Model und Stylistin gearbeitet hat, die Kurstadt aufgemischt, sie mit ihren sprudelnden Ideen, Kunstaktionen und mit Bohème-Glamour bereichert. Vernissagen im Kunstsalon, philosophische Vorträge, das "Fashion Café", die "art-99-charity" - über 30 Kunst-Events in drei Jahren. Auch die Freiluftausstellung tölzkunst an der Isarpromenade war ihre Idee. Zewe will sie weiter zusammen mit dem Kunstverein organisieren. Ihren Kunstsalon in der Marktstraße hat der Kunstverein bereits im Januar übernommen. Zewe war dort auch Vorsitzende, ist aber wegen interner Querelen nicht mehr für eine zweite Amtszeit angetreten. Die Wogen hätten sich inzwischen geglättet, sagt Zewe. Sie überlegt sogar, wieder als Mitglied beizutreten.

Erst im Frühjahr hat sie ein kleines Atelier am Jungmayrplatz eröffnet - einen Wohlfühlort voller Klamotten und Kunst. Dass sie gerade jetzt aufhört, ist schade. Denn gerade ist ein neues Projekt angelaufen, das vielversprechend ist: Die lange Nacht am Jungmayrplatz, bei der Künstler und Handwerker einmal im Monat ihre Ateliers und Werkstätten öffnen, damit wieder mehr Leben in das traditionsreiche Handwerkerviertel einkehrt. Auch ohne Zewe wollen die Kreativen vom Jungmayrplatz das Projekt vorantreiben; auch Birgit Haas-Heinrich, die das Atelier übernimmt, werde laut Zewe mitmachen. Dort soll es bei der nächsten langen Nacht am 13. Dezember einen "Abschiedsdrink mit Überraschungen" von Zewe geben. Sie ist froh, dass in ihrem Atelier "die Kunst bleibt und kein Handy-Laden reinkommt". Die Kontakte nach Tölz, die Freundschaften, will sie weiter pflegen. Und Künstler aus der Region, wie etwa den Tölzer Karl Georg Nicklbauer, in München ausstellen. "Der ist so ein scheuer Mensch und macht so tolle Sachen", schwärmt Zewe. Auch für ihr neues Zuhause in Schwabing hat sie viele Pläne: Dort soll es wieder Salonabende geben, Künstlertreffs, Ausstellungen und Lesungen. Ein größeres Projekt steht dort an: Man habe ihr angeboten, ein leer stehendes Haus in Schwabing mit Kunst zu bestücken, erzählt Zewe. "Und wenn die Ausstellung vorbei ist, wird es saniert und verkauft". Auch im Kunstzelt auf dem Schwabinger Weihnachtsmarkt ist sie dabei. Sie freue sich auf die Veränderung, sagt Zewe. Auch, wenn die junge Kunstszene inzwischen nach Berlin gewandert sei. "Wenn ich 20 Jahre jünger wäre, wäre ich jetzt in Berlin." Zewe hat schon in Düsseldorf, Hamburg, Paris und München gelebt. Und in Bad Tölz. Vielleicht kommt sei eines Tages zurück. Ausschließen will sie das nicht.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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