Wohnungsnot:Das Problem liegt tiefer

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Alleiniger Sündenbock Airbnb - das wäre zu einfach

"Im Kampf gegen Airbnb und Co." vom 10. April:

Bauverhinderung vom Amt

Anstatt mit martialischen Mitteln auf Privatleute loszugehen, Airbnb zu verbieten oder ein Baugebot wie Boris Palmer zu fordern, sollten die Verantwortlichen vor der eigenen Haustür kehren. Dazu zählt die Rückführung des Mietrechts auf eine ausgewogene Basis zwischen Mieter- und Vermieterinteressen. Wer es irgendwie geschafft hat, sich eine Wohnung (zum Beispiel als Altersvorsorge) zuzulegen, dem gehen spätestens beim ersten "Problemmieter" die Augen auf. Machen kann er was er will, raus kriegt man ihn nicht mehr. Und selbst vermeintlich "ordentliche" Mieter hinterlassen die Wohnung oft mit Totalsanierungsbedarf. Hierzulande ist man als Vermieter - solange man nicht mindestens 50 Wohnungen besitzt - der Volldepp der Nation. Kein Wunder, dass manche auf Airbnb umsteigen oder nur noch Zeitmietverträge abschließen (bei denen man allerdings Kriterien einhalten muss, für die der Begriff "Knebel" eigens erfunden zu sein scheint). Ein anderes weites Feld liegt ebenfalls vor der eigenen Tür. In München-Trudering zum Beispiel gibt es Grundstücke mit riesigen, mit Freizeitmüll angefüllten Gärten, bei denen man eine zeitgemäße Bebauung gegen das Bauliniengefüge von 1930 (!) bestenfalls per Gerichtsverfahren durchsetzen kann, während Frau Merk realitätsferne Zukunftsvisionen verbreitet und Herr Reiter Hochhausbauten fordert. Ihre Lokalbaukommission (LBK), meine Lieben, ist die größte Wohnungsbauverhinderungseinrichtung der Stadt München. Den Kampf gegen abstruse Gartenstadtsatzungen beziehungsweise deren Nachfolger kann sich Otto Normalbauherr leider nicht leisten, selbst wenn diese keinerlei Rechtsbindung haben, ganz zu schweigen von Bebauungsplänen aus der Zeit zwischen den Weltkriegen. Die Willkür der LBK entscheidet, und deshalb bleiben unüberschaubare Grundstücksflächen in München ungenutzt. Will man eine Dachgeschosswohnung nur durch den Einbau größerer Gauben aufwerten, sieht man sich trotz Einhaltung gesetzlicher Abstandsflächen den absurdesten Einschränkungen ausgesetzt, während auf dem Nachbargrundstück eine Residenz mit Terrassengeschoss aus dem Boden schießt (vor nicht allzulanger Zeit hätte man sie als "untergehendes Schlachtschiff" verhöhnt). Man sollte für alle LBK-Abteilungen regelmäßige Stadtrundfahrten und eine Stunde Zeitunglesen täglich verordnen, damit die Mitarbeiter etwas vom wirklichen Leben mitbekommen, über das sie mitentscheiden sollen. Harald Staub, Wolfratshausen

Rücksichtslose Bereicherung

Airbnb zum Sündenbock zu machen, ist zu einfach: Es ist ein Portal, das missbraucht wird - ein Spiegel unserer Gesellschaft -, in dem sich viele Städter rücksichtslos bereichern und durch unseriöse Methoden ihre Wohnung vergolden möchten. Ich möchte es nicht herabspielen, denn die Klagen überteuerter Wohnungen in den Städten kenne ich von meinen fünf erwachsenen Kindern, die finanziell durch die Miete an ihre Grenzen geraten. Meine Erfahrung mit einer Variante des Missbrauchs: Ein Anbieter bot seine eigene Wohnung in einer touristisch stark frequentierten Stadt über Airbnb für eine hohe Miete an und suchte sich für diese Zeit ein mindestens ebenso schönes Appartement auf dem wesentlich billigeren Land. Für ihn ein lukratives Geschäft: So verbringt er ein schönes Wochenende und verdient das Zweieinhalbfache! Gerda Maria Engert, Maroldsweisach-Ditterswind

Einsam und alleine leiden

"Einsamkeit ist eine Krankheit", 4. April:

Das Interview von Dietrich Mittler mit Franz Wölfl hat mich sehr beeindruckt. Da spricht ein kluger Frager, und es antwortet ein erfahrener Problemkenner! Das Thema Altersdiskriminierung, und um nichts anderes handelt es sich hier, kommt in der Berichterstattung selten vor. Hier wird eben medienunauffällig, meist mutterseelenallein, im stillen Seniorenzimmerchen gelitten! Selbst für weißhaarige, betagte Revoluzzer ist die Grundsicherung kein altersgeeigneter Startblock für den Absprung ins digitale Zeitalter und eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Stadt. Die Wichtigkeit von Selbstbestimmung und Möglichkeiten zur Sicherung von Lebensqualität und (des letzten Restchens an) Menschenwürde haben aber bis ans Lebensende bei allen Menschen oberste Priorität. An den Folgekosten der Krankheit "Einsamkeit" werden sich bei Nichtberücksichtigung des gesellschaftlichen Wandels und notwendiger Maßnahmen zur Verhinderung/Veränderung sonst die derzeit Jungen vielleicht die Zähne ausbeißen. Annette Gümbel-Rohrbach, München

© SZ vom 30.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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