Wohnungsmarkt:Die eigenen vier Pappwände

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Studenten inserieren ein Zimmer mit einem Quadratmeter für 65 Euro. Auf die Scherz-Annonce melden sich ernsthafte Interessenten

Interview von Sandra Will

Lukas Rauch, 24, wohnt in einer WG im Studentenheim am Josephsplatz zusammen mit fünf Mitbewohnern zwischen 21 und 25 Jahren. Auf einer Internetplattform hat er ein Zimmer mit nur einem Quadratmeter angeboten. Im Gespräch erklärt er, was dahintersteckt.

SZ: Herr Rauch, wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Zimmer mit einem Quadratmeter auf wg-gesucht.de zu stellen?

Lukas Rauch: Eigentlich war das nur ein kleiner Spaß von zwei Mitbewohnerinnen und mir. In unserem Flur steht schon seit längerem ein großer Pappkarton. An einem langweiligen WG-Abend saßen wir gemütlich zusammen und sind dann auf die Idee gekommen, dass da eigentlich auch ein Mensch reinpasst. Meine Mitbewohnerin setzte sich dann rein und wir dachten uns, dass wir es aus Spaß online stellen könnten. Ganz im Sinne: Mal schauen, wie die Leute reagieren.

Und?

Ein bisschen überrascht war ich dann doch, dass eine Minute nachdem das Inserat online ging, der erste Interessent angerufen hat, der wirklich interessiert an dem Angebot war. So schnell konnte das langsame WG-Wlan nicht mal die Fotos hochladen. Ich hab dann erst mal meine Handynummer aus meinem Profil gelöscht.

Kamen denn noch weitere ernst gemeinte Anfragen?

Bis jetzt habe ich alleine über wg-gesucht.de zwölf ernstgemeinte Anfragen von Studenten bekommen, die gerne einziehen würden, plus sehr belustigtem Zuspruch in Facebook.

Welche Menschen, glauben Sie, würden so ein Angebot tatsächlich annehmen?

Ob Menschen so ein Angebot wirklich annehmen würden, ist erst mal fragwürdig. Ohne dass wir uns jetzt bei den Interessenten zurückgemeldet haben, gehen wir davon aus, dass alle die Anfragen von Personen kommen, die sich unser Inserat nicht mal richtig durchgelesen haben, sondern sich einfach bei jedem neuen Inserat melden, das online kommt. Allerdings vermute ich, dass es auch Studenten in München gibt, die aus Verzweiflung erst einmal auf einer Isomatte im Flur übernachten würden, um einfach irgendwo unterzukommen.

Haben Sie selbst schon Erfahrung mit der angespannten Situation auf dem Münchner Immobilienmarkt gemacht?

Ich habe selbst über ein Jahr lang nach einer Wohnung gesucht und täglich teilweise bis zu zwanzig Leute angeschrieben, ob ich zur WG-Besichtigung kommen kann. Irgendwann hört man dabei auf, sich all die Inserate genauer durchzulesen. Zum Glück habe ich dann ein Zimmer im Studentenwohnheim bekommen, das ich mir von meinem Bafög leisten kann.

Würden Sie denn jemanden aufnehmen?

Aus Sicht des Studentenwerks ist das nicht erlaubt und daher in der Form gar nicht möglich. Es hängt aber auch von der Not und der Dauer ab. Wenn Freunde oder Bekannte nur für kurze Zeit einen Unterschlupf suchen, können wir sie natürlich aufnehmen. Generell haben wir aber auch nur Zimmer mit neun Quadratmetern und daher selbst kaum Platz.

Im Inserat haben Sie 65 Euro pro Monat verlangt. Wie kommen Sie auf diese Miete?

Wir haben uns über den durchschnittlichen Quadratmeter-Preis in Schwabing informiert, dann noch die Gemeinschaftsküche und das Gemeinschaftsbad einberechnet und sind auf einen sehr realistischen Preis von 65 Euro gekommen.

Steckt hinter dem ganzen denn mehr als nur ein Spaß?

Erst war es nur eine Spaß-Idee. Im Laufe des Prozesses hat sich dann aber schon ein gewisser Protestgedanke und der Versuch, auf den Wohnungsmarkt aufmerksam zu machen, daraus entwickelt. Zwar ist den meisten Münchnern die Wohnungssituation sicher bekannt, aber mit so einer starken Reaktion hatten wir dann doch nicht gerechnet.

Planen Sie und Ihre Mitbewohner noch andere Projekte, um auf die schwierige Wohnsituation aufmerksam zu machen?

Bis jetzt haben wir noch nichts geplant. Wenn sich etwas ergibt oder wir Ideen haben, werden wir diese vielleicht weiter verfolgen.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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