Wohnungen am Großmarkt werden geräumt:Sinnloser Abriss

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Eigentlich hätten die Mieter ihre Wohnungen an der Münchner Großmarkthalle verlassen sollen, um Platz für einen Neubau zu machen. Jetzt hat sich das Bauprojekt zerschlagen - doch das Haus wird weiter geräumt.

Renate Winkler-Schlang

An der Schäftlarnstraße 32 auf dem Gelände der Großmarkthalle sollten Mieter aus einer städtischen Immobilie ausziehen, weil die Fläche anderweitig gebraucht wurde. Inzwischen haben sich diese Baupläne längst zerschlagen. Die Stadt aber räumt das Mietshaus weiter, drei der sechs Wohnungen stehen schon leer. Das Argument: Es werde ohnehin auf dem Großmarkt alles neu geordnet. Das aber kann noch Jahre dauern.

Der Bezirksausschuss Sendling fordert daher, die Stadt solle die verbliebenen Mietparteien bis zum Schluss dort wohnen lassen und die bereits frei gewordenen Wohnungen wieder vermieten. Diesem Antrag von CSU-Fraktionssprecher Michael Kaiser schloss sich das gesamte Gremium an.

Seit mehr als 100 Jahren, seit vier Generationen, gehört das Familienunternehmen Balthasar Papp in den Umkreis der Großmarkthalle; der Uropa hat als Zollabfertiger begonnen, heute geht es bei Papp Logistics um das Umladen und Weiterverteilen von Obst und Gemüse. Dies erzählt Bernd Plank, Sprecher des Kommunalreferats. Als diese angestammte Firma eine neue Umschlaghalle hatte bauen wollen, sei klar gewesen, dass die Stadt dem Wunsch offen begegne: "Das stand nicht in Frage. Papp ist einer der ganz wichtigen Akteure."

Doch auf dem ursprünglichen Wunschbauplatz leben Mauereidechsen, eine auf der roten Liste stehende schützenswerte Tierart. Der Alternativ-Standort war schnell gefunden, bedeutete aber für das Wohnhaus an der Schäftlarnstraße 32 das Aus. Die Stadt versprach den Mietern, ihnen angemessene Ersatzwohnungen anzubieten, sagt Plank: "Der Umzug sollte natürlich sozial verträglich stattfinden, wir wollten sie nicht einfach irgendwo unterbringen. Dank der städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag haben wir da gute Möglichkeiten. Vielleicht bekommen sie dann auch einen Garten." Von einem Herrn aus dem Haus wisse er, dass diesem sein neues Domizil sogar viel besser gefalle als das vorige, sagt der Sprecher.

So weit, so gut. Doch die wichtige Firma Papp will nun diese Umschlaghalle an diesem Platz gar nicht mehr bauen. Der Bezirksausschuss versteht nicht, warum die Stadt sich dieser neuen Situation nicht anpasst und das Haus dennoch immer noch leer bekommen und abreißen will. Schließlich seinen erst neue Fenster und eine neue Heizung eingebaut worden.

Rein formal hätte die Stadt das Haus in den vergangenen Jahren gar nicht vermieten dürfen, denn wie sich jetzt herausstellte, war es von der Bahn einst als Wohnheim für Trambahnschaffner errichtet worden und nicht allgemein zum Zwecke des Wohnens für irgendwelche Mieter.

Das will der BA jedoch nicht gelten lassen: Eine Nutzungsänderung sei lediglich Formsache, für die Lokalbaukommission täglich Brot. Und schon wäre alles wieder in Ordnung. "Es ist völlig unverständlich, dass bei der allseits bekannten Wohnungsnot in München ausgerechnet die Landeshauptstadt selbst ohne Grund preiswerten Wohnraum vernichtet", sagt Kaiser.

Ein weiteres Argument der Stadt für den Abriss ist die Tatsache, dass der gesamte Großmarkt zeitgemäß umgestaltet werden soll. Früher oder später also werde die Stadt die Fläche für Zwischenlösungen während der Umbauzeit brauchen, sagt Plank. Doch der Sprecher muss selbst einräumen, dass das mehrere Jahre dauern kann. Jetzt stehe erst die erste Diskussion des ersten Voruntersuchungen im Stadtrat an.

Plank und seine Kollegin Silke Pesik sagen, die Stadt forciere den Auszug der letzten Mieter ja auch nicht. Die Markthallen hätten "in einem ersten Schritt" den restlichen Mietern angeboten, bis Oktober bleiben zu können. "Sie möchten die Räumung des Gebäudes auf einvernehmlichem Wege erreichen", so Pesik.

Das Haus, das ohnehin einer Generalsanierung bedurft hätte, werde sicher nicht wieder neu vermietet, bekräftigt Plank. Aus Sicht der Mieter sei es doch viel besser, so früh wie möglich wieder eine dauerhaft sichere Wohnung zu haben: "Was haben sie davon, wenn sie noch länger wissen, dass sie doch irgendwann raus müssen", fragt Plank.

© SZ vom 17.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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