Wohnprojekt:Wie im Zeltlager

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Günstiger als im Jugendhostel "The Tent" kann man in München kaum übernachten. Das schätzen vor allem junge Rucksackreisende aus aller Welt

Von Annemarie Rencken

Der Geruch von Essen liegt in der Luft, es riecht ein bisschen angebrannt. "Oh nein, meine Spaghetti!", ruft Monika Andeva und eilt in die Gemeinschaftsküche. Es ist spät am Nachmittag, die Stimmung im Jugendhostel "The Tent" ist entspannt, da kann man schon mal den Kochtopf auf dem Herd vergessen, wenn man gerade wie die Mazedonierin in ein Gespräch mit anderen Gästen vertieft ist. Ein paar Meter weiter werden auch schon die nächsten begrüßt.

"Sagt mir einfach später, welche Nummer euer Bett hat", sagt der Mann an der Rezeption, nachdem er ein schwer bepacktes Pärchen aus den Niederlanden in die Besonderheiten der Unterkunft eingewiesen hat. Neben ihm laufen auf einer elektronischen Anzeige in einer Dauerschleife die Worte "Backpacking culture since 1972". Dass die Bezeichnung damals noch nicht verwendet wurde, um reisende Jugendliche zu beschreiben, weiß auch Olaf Schäfer, der Leiter des Hostels. "Hippies" oder "Tramper" nannte man sie. Und sie waren der Grund, warum "The Tent" entstand.

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(Foto: Florian Peljak)

Vom Trubel der Stadt bekommt man hier nicht viel mit, und die Stimmung ist entspannt.

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(Foto: Florian Peljak)

Olaf Schäfer und sein Team bieten den Gästen im Jugendhostel "The Tent" eine Vielzahl von Übernachtungsmöglichkeiten.

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(Foto: Florian Peljak)

Auch für genügend Freizeitaktivitäten ist gesorgt.

Als die Olympischen Spiele nach München kamen, wollte man um jeden Preis verhindern, dass junge Fans aus aller Welt wild im Englischen Garten oder auf anderen Grünflächen zelten. Die Idee war deshalb, einen Ort zu schaffen, an dem sie das legal und geschützt tun konnten, der aber trotzdem nicht zu weit von den Wettkämpfen entfernt war. Gefunden wurde ein Grundstück an der Grenze zwischen Nymphenburg und Moosach. Nicht weit vom Botanischen Garten, beinahe idyllisch, wäre nicht der Hubschrauberlandeplatz des Klinikums Dritter Orden direkt nebenan.

"Viele Münchner wissen gar nicht, was für ein Juwel die Stadt hier hat", sagt Schäfer. Bei Reisenden aus aller Welt dagegen sei das Zelthostel, das immer nur von Ende Mai bis Oktober geöffnet ist, sehr beliebt - und es trage zum positiven Bild Münchens bei. Dass es den Anlaufpunkt für Rucksackreisende auch knapp 50 Jahre nach den Olympischen Spielen noch gibt, liegt auch an der Stadt. Auch die Verantwortlichen im Rathaus lernten das Projekt schnell schätzen. Bereits vier Jahre nach der Gründung stieg die Stadt mit ein und fördert das Projekt bis heute.

Robbie Kooistra

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(Foto: Florian Peljak)

Wo kommst du her? Aus Groningen in den Niederlanden Was machst du hier? Ich bin im Urlaub und reise durch Europa. Abgesehen von Sightseeing habe ich nicht viel geplant. Ich schlendere einfach durch die Innenstadt und schaue, was sich ergibt. Klassische Stadtführungen mit einem Guide reizen mich eher nicht so, lieber erkunde ich die Stadt auf eigene Faust. Beeindruckend finde ich, wie gastfreundlich hier alle sind. Wo geht es hin? Meine nächsten Stationen sind Wien und danach Budapest.

Eric Dominguez

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(Foto: Florian Peljak)

Wo kommst du her? Aus Barcelona Was machst du hier? Ich mache Interrail mit einem Freund und seit einem Tag hier in München Station. Es gibt hier sehr viele historische Gebäude mit interessanter Architektur, besonders toll finde ich die Kirchen. Für Kunst und Museen kann ich mich nicht wirklich begeistern. Das Stadtzentrum ist sehr touristisch, also eher nichts für Leute, die keine Menschenmengen mögen. Dafür sind die Parks sehr entspannt und ein guter Ort zum Chillen. Wo geht es danach hin? Nach Prag.

Eliza Hart

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(Foto: Florian Peljak)

Wo kommst du her? Aus Devon in Großbritannien Was machst du hier? Ich habe gerade meine Prüfungen beendet und bin jetzt in den Sommerferien mit einer Freundin per Interrail in Europa unterwegs. Drei Tage verbringen wir in München. Am meisten freue ich mich auf die vielen Museen und Galerien - und auf das Essen! Wo geht es danach hin? Wir kommen gerade aus Berlin, weiter geht es dann mit Budapest, Paris und dann wieder zurück nach Großbritannien.

Sven Bührle

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(Foto: Florian Peljak)

Wo kommst du her? Aus Bad Ditzenbach im Kreis Göppingen Was machst du hier? Ich arbeite als Freelancer für vier Monate bei einer Versicherung und habe daher eine Unterkunft gesucht. Neben der Arbeit hoffe ich hier auf neue Kontakte und ich bin gespannt auf die Techno Clubs. In Erinnerung bleiben werden mir der Club Grinsekatze mit seiner entspannten Atmosphäre, die öffentlichen Verkehrsmittel und "The Tent". Wo geht es danach hin? Ich weiß es noch nicht sicher, eventuell nach Berlin.

Viele Bäume stehen auf dem Gelände, vom Trubel der Stadt bekommt man hier nicht viel mit. Es gibt gestreifte Strandkörbe und Bierbänke, die um einen Lagerfeuerplatz gruppiert sind. Weiter hinten teilen sich zwei Mädchen eine Hängematte. Ein Pärchen aus Hannover baut auf den Hügeln neben dem Beachvolleyballfeld gerade sein dunkelblaues Zelt auf. Die beiden waren letztes Jahr zum Oktoberfest zum ersten Mal hier, damals mit einer größeren Gruppe. Diesmal sind sie zu zweit und im Sommer nach München gekommen: "Uns hat es hier so gut gefallen. Diesmal wollen wir auch ein bisschen die Stadt anschauen", erzählen sie.

"The Tent" bietet neben viel grüner Wiese zum Zelten noch mehr Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu 650 Gäste. Selbst zu zelten ist die günstigste Variante, man zahlt drei Euro pro Platz und sechs Euro pro Person. Alternativ können Gäste auch in festen, verschieden großen Zelten übernachten, auf Isomatten (ab 9,50 Euro) wie die Hippies von 1972, an die ein Schwarz-Weiß-Foto am Eingang erinnert; oder in doppelstöckigen Hochbetten (ab 14 Euro), die erst später hinzukamen. Neu sind nicht nur die Betten, hinzu kamen mit den Jahren auch Sanitärgebäude mit warmer Dusche, die Waschmaschinen und Trockner. Und ganz neu ist die Cafeteria, die dieses Jahr eröffnet hat. Der Komfort nimmt zu, manche Gäste reisen inzwischen auch mit Rollkoffern statt mit Rucksäcken an.

Neben der Cafeteria genießen Poppy Heath und Lola King aus Brighton die Sonne und ihre Sommerferien "Ich finde, es ist ein bisschen merkwürdig, das ,Hostel' zu nennen, es fühlt sich eher an wie ein Sommercamp", findet Lola King und meint damit die Atmosphäre rund um das Lagerfeuer. Für manche wird "The Tent" immer ein besonderer Ort sein: Yusuke und Rui Omata aus Japan zum Beispiel verbringen hier sogar ihre Flitterwochen.

© SZ vom 28.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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