Witwe streitet mit verschuldeter Klinik:Nichts mehr zu machen

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Hat eine Klinik einem Patienten eine teure Tumortherapie verkauft, obwohl es keine Heilungschance mehr gab? Eine Witwe erhebt schwere Vorwürfe. Doch das Krankenhaus, in dem sich früher Siegfried und Roy sowie Cher behandeln ließen, ist finanziell am Ende - und geschlossen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Wurde hier einem verzweifelten Menschen, der den nahen Tod vor Augen hatte, mit vagen Heilungsversprechen das Geld für nutzlose Behandlungen aus der Tasche gezogen? Eine Münchner Witwe ist davon überzeugt und klagt gegen die einst renommierte Leonardis-Privatklinik in Bad Heilbrunn im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Zu ihrer Blütezeit ließen sich dort Prominente wie Siegfried vom US-Magier-Duo Siegfried und Roy oder Sängerin Cher behandeln.

In der Leonardis-Klinik in Bad Heilbrunn ließen sich einst Prominente wie Cher sowie Siegfried und Roy behandeln. Jetzt ist die Klinik finanziell am Ende. (Foto: Manfred Neubauer)

Inzwischen ist das Krankenhaus geschlossen und finanziell am Ende. Die rund 40.000 Euro, die ihr krebskranker Mann dort für eine vermeintlich letzte Heilungschance ausgegeben hat, wird die klagende Witwe deshalb keinesfalls zurück bekommen - obwohl sie am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht München laut Erklärung eines Richters gute Aussichten gehabt hätte, den Prozess zu gewinnen.

Geschäftsführer Gerd Rudolphi von der beklagten Starnberger Medra GmbH, Trägergesellschaft der Leonardis-Klinik, wies die Vorwürfe der Klägerin mit drastischen Worten zurück. "Die Sache ist erbärmlich", sagte er zu der im Raum stehenden Frage, ob einem von der Schulmedizin bereits als unheilbar aufgegebenen Patienten noch eine teure Tumortherapie verkauft worden sei.

Sollte er den Prozess verlieren und zur Rückzahlung der Behandlungskosten verurteilt werden, werde er Insolvenz anmelden: Die Klinik-Immobilie sei bei der Bank bereits bis ans Limit beliehen, und außer einem Hausmeister auf 400-Euro-Basis gebe es außer ihm sowieso niemanden mehr.

Vor rund einem Jahr hatte es für den Spital-Betreiber noch deutlich besser ausgesehen: In erster Instanz hatte das Landgericht München II die Klage der Witwe gegen die GmbH noch abgewiesen. Damals hoffte Rudolphi auch noch, die Klinik fertig renovieren und wieder zu altem Glanz führen zu können. "Wir finden aber keinen Chefarzt", sagte er nun - und ohne eine medizinischen Leiter könne der Betrieb nicht weitergeführt werden.

So wurde vor dem Medizinsenat in der Berufungsverhandlung gar nicht mehr über den dramatischen Hintergrund des Prozesses verhandelt: Ein gesetzlich krankenversicherter Münchner hatte 2004 in der Privatklinik eine "Wahlleistungsvereinbarung" unterschrieben. Statt ihm die Wahrheit zu sagen, sei ihm eine Heilungschance offeriert und eine teure Tumortherapie verkauft worden, meint Rechtsanwalt Friedrich Raab in der Klage. Es sei ganz konkret der Eindruck erweckt worden, es gäbe noch eine Chance auf Genesung.

Wäre er realistisch über die Erfolgsaussichten der Behandlung aufgeklärt worden, hätte er in die kostspielige Behandlung nicht eingewilligt, sagt die Witwe. Sie verlangt Schadenersatz wegen "Verletzung der wirtschaftlichen Aufklärungspflicht".

Die Klinik bestreitet das: Von Beginn an sei es darum gegangen, als "letzte Chance" für den Patienten den Tumor zu "stoppen", um eine Verbesserung seiner Lebensqualität und eine Verlängerung seiner Lebenserwartung beziehungsweise um mehr "Lebensfreude" zu erreichen. Keinesfalls sei dem Mann von den Ärzten eine vollständige Genesung in Aussicht gestellt worden.

Das Landgericht hatte gemeint, dass der Patient ausreichend aufgeklärt wurde. Außerdem habe die Therapie der Leonardis-Klinik durchaus Erfolg gehabt: Ärzte hätten dem Todkranken zuvor nur noch ein halbes Jahr gegeben - tatsächlich habe er noch zwei Jahre gelebt. Nun blieb dem 1. OLG-Senat lediglich, einen Vergleich festzuzurren: Gerd Rudolphi wird aus eigener Tasche 3000 Euro bezahlen, seine Versicherung steuert "aus Kulanz" weitere 3000 Euro dazu - mehr ist nicht mehr zu holen.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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